Trüber Stand der Dinge

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Offensichtlich keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, welche Art Publikum den Freischütz in Bregenz auf der Seebühne besuchen würde, hat Regisseur Philipp Stölzl, weder an den Urlauber, der einen schönen Tag auf angenehme Art beschließen, die Familie, die die Kinder zum ersten Mal in die Oper ausführen möchte,  nicht an den Selten-, Zum-ersten-Mal – ,aber nun sicher Nie-Wieder-Gänger, gedacht, die er allesamt mit einer Inszenierung verschreckt und vielleicht für immer verscheucht haben dürfte, die das Stück lediglich zum Anlass genommen hatte, sein ironisierendes Mütchen daran zu kühlen. Das happy end scheint ihm generell ein Gräuel zu sein, wie zuletzt die Turandot in Berlin bewies, dem Freischütz wird ein Schluss vorangestellt, der ausmalt, welche Tragödie sich ohne göttliches Einwirken abgespielt hätte: Agathe wird zu Grabe getragen und Max erst erhängt und dann noch ersäuft. Insgesamt kommt aber weit mehr als der Freischütz der Teufel oder vielmehr Samiel zum Einsatz mit Texten, die Jan Dvorak dem Libretto, das wesentlich verändert wurde, noch hinzugefügt hat, aus der fast stummen Figur wird ein Gustaf Gründgens nachahmender Mephisto mit mal altertümelndem, mal gossensprachenhaftem Text, der auch mal in Agathes große Arie eingreift, aus Ännchen, der man  die zweite Arie gestrichen hat, eine gern angetrunkene lesbische Feministin, der Agathe nur widerstehen kann, weil sie einen Vater für ihr ungeborenes Kind braucht, Max ist ein Schreiber und Ottokar eine Witzfigur von Ludwig II.. Alle Mitwirkenden konnten froh über den überheißen Sommer sein, denn pausenlos geht es vom Land ins Wasser und wieder zurück, und das betrifft nicht nur das kitschige Wasserballett à la Esther Williams anstelle des Brautjungferntanzes. War es des Regisseurs erklärte Absicht, den Freischütz „mit Eisenbesen“ von Unerwünschtem zu befreien, ihn ordentlich „durchzulüften“, dann ist das auf fatale Weise gelungen. Dabei hat er sich, auch als Bühnenbildner tätig, durchaus eine romantische Kulisse geschaffen, ein noch die Kriegsschäden zeigendes Dorf, zwar im Winter, was  zu Jagd und Volksfest nicht passt, aber seinen ganz eigenen Reiz entfaltend. Dieser Eindruck wird aber immer wieder zunichte gemacht, sei es durch den überdimensionierten Eremiten à la Rauschgoldengel, den teilweise obszönen Dialog, die grellen Farben oder die lächerlichen Erscheinungen in der Wolfsschlucht.

Alles Akustische, abgesehen von den hinzugefügten Dialogen, hätte eigentlich etwas besseres Optisches verdient, denn Enrique Mazzola beweist mit den Bregenz-erprobten Wiener Symphonikern, dass er nicht nur italienische Oper kann. Die beiden Chöre, Bregenzer Festspielchor und Prague Philharmonic Choir  geben ihr Bestes, auch wenn die Regie alles daran gesetzt hat, den Jägerchor zu sabotieren.  Mauro Peter hat einen für das deutsche Zwischenfach bestens geeigneten Tenor, Franz Hawlata imponiert einmal mehr mit hochpräsentem Bassbariton als Kuno, ebenfalls prachtvoll ist die vokale Leistung von Maximilian Krummen als Kilian, der hier Agathe an die Wäsche geht (Oder ist er vielleicht sogar der Kindsvater?). Christof Fischesser lässt Bassesschwärze wie gewandte Koloraturen hören. Etwas blass bleibt Liviu Holender als Ottokar. Einen hellen, schlanken Sopran setzt Nikola Hillebrand für die Agathe ein, deren Sopran man sich eigentlich auch wärmer und runder denken kann. Katharina Ruckgaber hat die notwendige vokale Entschlossenheit für das Ännchen. Vorzüglich ist der Schauspieler Moritz von Treuenfels als Samiel, aber in dieser Produktion leider ein Ärgernis (C Major768404). Ingrid Wanja