Nur gut, dass Islamisten kein Faible für die Oper haben, denn dann könnte sich die Aufführung von Verdis I Lombardi alla prima crociata als heikel erweisen, geht doch das Libretto gar nicht zimperlich mit Allah und seinen Gläubigen um. Die Neuenfels-Inszenierung von Idomeneo in der Deutschen Oper Berlin, die aus Furcht vor unerfreulichen Reaktionen abgesetzt wurde, war da vergleichsweise harmlos, wenn auch aus einer Bluttat und nicht nur aus markigen Worten bestehend.
Mut haben muss man auch zu einer sich so um historische Treue in Bühnenbild und vor allem in den prachtvollen Kostümen bekennenden Produktion, wie es diese in Turin ist, die geradezu einen Kontrast zum einem nüchternen Kinosaal ähnelnden Zuschauerraum des Piemonteser Opernhauses darstellt. Das Panorama Jerusalems, durch Arkaden hindurch zu erblicken, (Bühne Jean-Guy Lecat) und die in Orient und Okzident gleich kostbaren Kostüme (Fernand Ruiz) sind eine Augenweide und Beweis dafür, dass die Kunst des Bühnenbilds in Italien noch lebendig ist. Da kann man getrost auf Videoprojektionen verzichten.
Traditionell ist auch die Regie von Stefano Mazzonis Di Pralafera, und Extravaganzen wären seiner Hauptdarstellerin auch kaum zuzumuten, denn Angela Meade besitzt zwar eine wundervoll reiche, schön timbrierte Sopranstimme, die sie auch zum Liebling des Turiner Publikums macht, widerspricht aber der landläufigen Meinung, korpulente Opernsängerinnen seien dem Publikum heute nicht mehr zuzumuten. Zudem wurde ihr ein sehr vorteilhaftes Kostüm zuteil, und so ist der Genuss einer Stimme, die die Ensembles überstrahlt, deren farbenreiches Piano ebenso entzückt wie die Fähigkeit zu agogikreichem Singen, ein uneingeschränkter. Ein guter Partner ist dieser Giselda der Oronte von Francesco Meli, der seine Karriere sehr klug aufbaut, allmählich von Rossini und dem Belcanto zu Verdi übergewechselt ist und nun mit tragfähiger mezza voce, strahlenden Spitzentönen und einem angemessen dunkel gewordenem Timbre nicht nur seine Arie, das populärste Stück der Oper, sehr schön singt, sondern sich auch neben seiner Partnerin in den Duetten gut behauptet.
Ebenfalls von Rossini, aber auch von Mozart kommt Alex Esposito und singt nun den sich zum Eremiten wandelnden Erzbösewicht Pagano. Vielleicht hat er als Leporello und mit Ähnlichem einen so großen Eindruck gemacht, dass man ihm den basso profondo noch nicht abnimmt? Irgendwie wirkt er in der Partie noch zu leichtgewichtig, die Stimme nicht dunkel genug, und den gesamten Abend über wundert man sich darüber, dass außer ihm, der plötzlich mit langem weißem Bart erscheint, niemand auf der Bühne gealtert ist. Auch sein Bruder Arvino bleibt jugendlich bis zum Ende, gesungen von Giuseppe Gipali, den man sonst im ersten Fach als Liebhaber gewohnt ist, der in der Höhe recht gepresst klingt, ansonsten aber schon beinahe eine Luxusbesetzung ist. Lavinia Bini bleibt unauffällig als Viclinda, eher profilieren mit hübschem Mezzosopran kann sich Alexandra Zabala als Sofia. Antonio Di Matteo ist ein sehr ansehnlicher Pirro, Giuseppe Capoferri dumpf als Acciano.
Herrliche Chöre erfahren durch die Kreuzritter und die mitreisenden Damen eine angemessene Darbietung, das Orchester unter Michele Mariotti spielt mit viel Brio, die Visione vor dem letzten Akt wird sehr eindrucksvoll vom Streicher-Solisten zu Gehör gebracht. Ein schöner Opernabend ist garantiert (Dynamic 57826). Ingrid Wanja