Strauss light

.

Misstraute Regisseur Krzysztof Warlikowski der Eleganz des hofmannsthalschen Wortes und der Überwältigungsfähigkeit der strausschen Musik so sehr,  dass er beiden ein optisches Aufpeppen durch seine Gattin, die Bühnen- und Kostümbildnerin Malgorzata Szczesniak, verordnete? Die kleidet das weibliche Personal von Elektra 2022 in der Salzburger Felsenreitschule bis hin zur Vertrauten und zur Schleppträgerin in elegante Kostüme der Fünfziger, macht Chrysothemis zum Girlie in Lackleder, Elektra zur Trägerin eines blütenweißen, weit ausgestellten Rocks, der aber auch gar nichts vom Elend ihrer Existenz verrät, dafür soll wohl das häufige Greifen zu Zigarette und Feuerzeug stehen. Ehe man in dieser Produktion zur mörderischen oder einer sonstigen Aktion schreitet, verordnet man sich eine Kneippkur, denn ein kristallklares Gewässer durchzieht die Bühne, lädt zum Bade, so auch eine Nackte, die offensichtlich zu den erfundenen Sechs Dienerinnen, denn Fünf Mägde gaben das nicht her, gehört. Videos blinken aus allen Ecken und Enden, Kinderpuppen erinnern an bessere Tage und ein blutverschmierter Agamemnon beobachtet hin und wieder das Geschehen. Soll eine Reihe von Deckenduschen an Auschwitz erinnern, die endlos händewaschende Klytämnestra an Lady Macbeth? Letztere darf sich vor Beginn der Oper mit ihrem Monolog aus Aischylos`Orestie noch für den Gattenmord rechtfertigen und bleibt in der Verkörperung durch den Mezzosopran Tanja Ariane Baumgartner neben dem Orest von Derek Welton die einzige textverständliche Figur auf der Bühne. Auf der tanzt zum Schluss nicht Elektra in den Tod, sondern auf der Rückwand tummeln sich Massen von Fliegen in munterem Reigen im aufspritzenden Blut und entziehen der Protagonistin jede Aufmerksamkeit.

Zu einer beinahe kammermusikalischen Deutung, deren Anliegen eher Durchsichtigkeit als Überwältigung scheint, ist Franz Welser-Möst mit den Wiener Philharmonikern verurteilt, denn außer dem Mezzosopran erscheint das weibliche Personal jeweils eine Nummer zu klein für seine jeweilige Partie zu sein, ist Orgiastisches nur zu hören, wenn die Sänger pausieren. Rücksichtnahme auf Sänger ist eine lobenswerte Sache, das Engagement zu leichter Stimmen  weit weniger.

Das trifft in keiner Weise auf Tanja Ariane Baumgartner zu, die nicht nur vorbildlich textverständlich auch im Gesang bleibt, sondern mit einer Stimme wie aus einem Guss und einem besonders vollmundigen mitreißenden Abgang imponiert. Eine frische, helle, klare Sopranstimme setzt Asmik Grigorian für die Chrysothemis ein, in der Extremhöhe allerdings recht spitzig mit nicht ideal angebundenen Spitzentönen und insgesamt lyrisches Leuchten vermissen lassend. Aušriné Stundyté, die im Jahr zuvor eine gefeierte Salome war, ist hörbar in einem Jahr nicht zu einer Elektra herangereift, sondern kann bei allem Bemühen um eine Verbindung von Eindringlichkeit und Schönheit des Klangs nur mit letzterem überzeugen, bleibt stets weich in der Tongebung, aber auch verwaschen und zu wenig nachdrücklich. So trägt sie wesentlich dazu bei, dass man das Gefühl hatte, einer Elektra light beizuwohnen.

Einen vokal markanten und doch sensibel erscheinenden Orest gibt Derek Welton, optisch unangemessen attraktiv als Ägisth und vokal blass ist Michael Laurenz, da ist nichts von der morbiden Attraktivität, die alternde Heldentenöre ausstrahlen können. Die Komische Oper Berlin ist mit Jens Larsen als Altem Diener vertreten, und Natalia Tanasii bleibt es nicht zuletzt wegen der Regie verwehrt, aus ihrer schönen Partie etwas zu machen (C-Major 804308). Ingrid Wanja