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Die letzte von sieben Opern ist Francesco Cileas Gloria, dessen L’Arlesiana immerhin den Dauerbrenner und damit die allseits beliebte Zugabe des Lamento di Federico und dessen Adriana Lecouvreur eine Bombenrolle für eine Magda Olivero oder Raina Kabaivanska bereit hielt. Ein herberes Schicksal ist seiner Gloria beschieden gewesen, die 1907 in Mailand uraufgeführt, aber bereits nach wenigen Vorstellungen wieder abgesetzt wurde, die er gründlich über- und umarbeitete und die 1932 in neuer Fassung in Neapel wieder aufgeführt wurde. 1938 gab es eine bejubelte Vorstellung in Rom mit Maria Caniglia und Beniamino Gigli in den Hauptrollen und in Anwesenheit von Benito Mussolini, was dem Werk nach 1945 nicht gerade dienlich war. Ein letzter verzweifelter Versuch, seiner Oper Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, war Cileas Bitte an Maria Callas, die er für die ideale Interpretin der Gloria hielt, sich um eine Aufführung zu bemühen. Sie zeigte keinerlei Interesse daran. Immerhin führte man Gloria 1997 in der historischen Freiluftkulisse der Geschlechtertürme von San Gimignano mit Fiorenza Cedolins und Alberto Cupido auf und befand sich damit nur wenige Kilometer vom Handlungsort, der ebenfalls toskanischen Stadt Siena, entfernt. Die italienische Firma KIKKO hat diese Aufführung auf zwei CDs verewigt, die man auch bei youtube hören kann.
Nicht oft genug betonen, ja loben kann man das Bestreben des Opernhauses von Cagliari, in jeder Spielzeit mindestens ein unbekanntes Werk aufzuführen, so aus dem italienischen Repertoire Marinuccis Palla de‘ mozzi, Refices Cecilia, außerdem Gomez‘ Lo Schiavo, aber auch in ihren Herkunftsländern mit Missachtung gestrafte Opern wie Webers Euryanthe oder Tschaikowkis Pantöffelchen. Selbst die sardischen Vorfahren, die Erbauer der Nuraghe, wurden bereits gewürdigt.
Es geht um eine Romeo-und-Julia-Geschichte, um die Feindschaft zwischen den Guelfen, den Anhängern der Braunschweiger Welfen, und den Ghibellinen, die auf der Seite der Staufer standen, also um die Nachwehen eines unbedachten Akts Leos III., der Weihnachten 800 in Rom den überraschten fränkischen König Karl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt und damit den späteren deutschen Königen die Verantwortung für Italien auferlegt hatte. Dass Italien wie Deutschland erst im 19. Jahrhundert zur Einheit fand, war die Spätfolge dieses unbedachten Tuns.
In Siena, das auf der Seite der Guelfen steht, feiert man die Einweihung eines neuen Brunnens durch die Tochter des Priors Aquilante gemeinsam mit den eigentlich vertriebenen Anhängern der Ghibellinen, die jedoch bei Anbruch der Dunkelheit die Stadt wieder verlassen müssen. Unter ihnen ist Lionetto, Sohn des Anführers der Ghibellinen, der sich in Gloria verliebt und auch von ihr wohlwollend beachtet wird. Als nach Einbruch der Dunkelheit der Tabubruch bemerkt wird, Guelfen und Ghibellinen aneinander geraten, entführt Lionetto Gloria. Im zweiten Akt finden wir Gloria in Gefangenschaft Lionettos, der sie um ihre Hand bittet. Sie stimmt zu, auch um den Frieden zwischen den beiden Parteien wieder herzustellen. Ihr Bruder Bardo fordert sie jedoch auf, den Bräutigam mit einem Schwert, das er ihr überlässt, zu töten. Sie weigert sich, stimmt jedoch zu, ihm Gift zu verabreichen. Als Lionetto berichtet, zum Frieden bereit zu sein, ist sie auch dazu nicht mehr in der Lage, sondern will selbst das Gift trinken, was wiederum Lionetto verhindert. Der dritte Akt führt den Zuschauer in die Hauskapelle der Bardi, in der die Trauung von Gloria und Lionetto stattfindet. Die Umarmung der beiden Schwager nützt Bardo dazu, LIonetto einen tödlichen Messerstich beizubringen. Danach will er mit Gloria fliehen, die es jedoch vorzieht, mit ihrem Gatten zu sterben.
Wer von Gloria eine Musik voller dolcezza, Eleganz, Geschmeidigkeit und Duftigkeit wie aus Adriana bekannt, erwartet, der wird arg enttäuscht, denn inzwischen hatte der Komponist eine Entwicklung hin zum eher Deklamatorischen vollzogen, Einflüsse von Wagner, dem französischen Impressionismus, manchmal fühlt man sich an Rimski-Korsakov erinnert, sind vernehmbar. Auch wer ein Kolossalgemälde mittelalterlicher Glaubens- und Geschlechterkämpfe erwartet, wird von der Intimität des Stoffes überrascht sein. So hat der Chor zwar einiges zu singen, verhält sich aber optisch eher wie der eines Oratoriums, so wie auch die Protagonisten teilweise nebeneinander aufgereiht vor diesem stehen und dies durchaus zum Charakter des Werks zu passen scheint. Regisseur Antonio Albanese verzichtet auch auf Videoprojektionen, bevorzugt eine quasi holzschnittartige Optik, und auch mit Farben wird sparsam umgegangen, Grau, Beige und Schwarz herrschen vor (Bühne Leila Fteita), und nur das Hochzeitskleid Glorias ist in glühendem Rot gehalten, könnte durchaus auf der Freitreppe von Cannes Aufsehen erregen (Carola Fenocchio).
Den Sängern ist also alle Aufmerksamkeit sicher, und sie sind sie wert. Die mit ihrem Familiennamen erst einmal in die Irre führende Anastasia Bartoli ist nicht die Tochter einer berühmten Mezzosopranistin, sondern die von Cecilia Gasdia, einst ein stilsicherer lyrischer Koloratursopran und inzwischen seit vielen Jahren erfolgreiche Intendantin der Festspiele von Verona. Anastasia trägt den Familiennamen ihres Vaters, eines Fiorentiner Zahnarztes, und auch was ihr Repertoire angeht, wandelt sie nicht auf den Spuren der Mutter, sondern eher auf denen eines soprano drammatico e d’agilità, hat bereits Lady Macbeth gesungen, Lucrezia in Due Foscari und strebt die Abigaille an. Ihr Sopran besticht durch Klarheit, Reinheit, auch eine gewisse Herbheit, sicher in der Höhe, durchaus auch stählern und von der Interpretation dienender Schärfe. Die Optik der schönen, schlanken Sängerin lässt nichts zu wünschen übrig. Eines tenore eroico bedarf die Partie des Lionetto, zu dem sich Carlo Ventre mittlerweile entwickelt hat, dessen Stimme dunkler geworden ist und der über einen bemerkenswerten squillo verfügt. Etwas unglücklich ist seine Optik zumindest im ersten Akt, wenn er wie ein in Paketband eingewickeltes Möbelstück wirkt. Bleichgesichtig verfolgt Franco Vassallo seine üblen Rachepläne und setzt dafür einen in allen Registern präsenten Bariton stupender Höhe ein. Weit ausholen mit autoritär klingendem Bass kann Ramaz Chikviladze als Aquilante, sanft und mild ist Elena Schirru als Senese, sonor Alessandro Abis als Vescovo. Francesco Cilluffo am Dirigentenpult dirigiert das bläserlastige Orchester sängerfreundlich und führt es, so im Vorspiel zum dritten Akt, zu einem Klang voll raffinierter Harmonien. Szenisch zeigt sich die Produktion allzu statisch, als dass sie dazu beitragen könnte, dem Stück trotz vorhandener Qualitäten die Bühne dauerhaft zu erobern (man hofft, dass nun Naxos mit dem Sound-only auf CD herauskommen wird). Dynamic 58004. Ingrid Wanja
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PS.: Zwei weitere Produktionen der selten aufgeführten Gloria sollen nicht unerwähnt bleiben: Von 1969 veröffentlichte Memories (und andere) einen Live-Mitschnitt aus Turin von 1969 mit immerhin Margherita Roberti und dem von mir verehrten Flaviano Labó unter Francesco Previtali, und die tüchtige Verismo-Compagnie Opera Grattacielo New York brachte die Oper 2018 unter Israel Gursky mit Kerri Marcinko und Wesley Morgan in den Hauptrollen (auch hiervon exitiert ein Mitschnitt). G. H.