Russisch Glück

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„Die surreal-fantastischen, grotesken und komödiantischen Elemente“ erregten die Neugierde von Regisseur Christof Loy und ließen ihn die Aufgabe akzeptieren, Rismky-Korsakovs Oper Die Nacht vor Weihnachten an der Oper Frankfurt zu inszenieren und dem Haus damit die Performance oft the Year zu sichern. Die Oper nach Gogols gleichnamiger Novelle enthält viel vom „anarchischen Humor“ und der „tiefen Verzweiflung“, die typisch nicht nur für diesen, sondern generell für viele russische Künstler  sind, erzählt die Geschichte vom Schmied Vakula, dessen Mutter eine Hexe und sämtlichen Honoratioren des Städtchens in Liebesdiensten verbunden ist, dazu noch dem Teufel. Zu Menschen und überirdischen oder vielmehr unterirdischen Wesen kommen noch Naturgewalten, verkörpert durch eine Tänzerin  und einen Bären, die die Handlung durchkreuzen, den Versuch des Schmieds, die schöne Oksana für sich zu gewinnen, indem er ihren Wunsch nach den Schuhen der Zarin erfüllt, befördern oder behindern. Am Schluss werden Verlobung und das Weihnachtsfest in schöner Eintracht miteinander gefeiert. Die Premiere dieser russischen Oper, die in einem ukrainischen Dorf spielt, fand wenige Wochen vor Ausbruch des Kriegs in Osteuropa statt.

Die Musik enthält viele volkstümliche Elemente in den Arien und besonders in den Tänzen, die Orchestrierung ist raffiniert, zauberisch schillernd die Ballettmusik, und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Sebastian Weigle erweckt sie zu raffiniertem Zauber. Ganz schlicht wie eine graue Kachelwand ist die Szene von Johannes Leiacker, doch Tausende Lichtlein oder Schneeflocken können auch sie verzaubern. Phantasievoll mit wenigen Mitteln wie vielen Pelzmützen sind die Kostüme von Ursula Renzenbrink gestaltet, die für den Zarenhof eine bunte Rokokogesellschaft bereithält. Neben dem Choreografen Klevis Elmazaj gibt es auch einen Flight Choreographer namens Ran Arthur Braun, denn auf der Reise zum Zarenhof und auch auf anderen Wegen muss manchmal auch durch die Lüfte gerauscht werden. Es herrscht eine schöne Ausgewogenheit zwischen Sentimentalität und Groteske und man spürt während jeder Minute des abwechslungsreichen Spiels mit wie viel Liebe und Respekt ans Werk gegangen wurde.

Den liebeskranken Schmied Vakula spielt der Tenor Georgy Vasiliev, ein schmucker Bursche, den Oksana längst lieben muss, ohne es sich einzugestehen. Die Stimme kann bereits in seinem Auftrittslied einen schönen, schwärmerischen Klang annehmen. Oksana ist Julia Muzychenko, ebenfalls attraktiv und mit einer feinen, klaren Sopranstimme begabt, im vierten Akt in einer wehmütigen Weise wie eine Naturstimme klingend. Enkelejda Shkoza hat für die Hexe Solokha die passende üppige Physis und einen satten Mezzosopran. Oksanas Vater Chub ist mit Alexey Tikhomirov ein Trumm von einem Kerl und dazu mit seinem markanten Bass auftrumpfend.  Mit schneidendem Charaktertenor ist Andrei Popov ein beeindruckender Teufel, der allerdings mit dem Nahen der Wintersonnenwende immer mehr an Präsenz verliert. Schließlich findet er sich wie auch die Hexe durchaus unter dem riesigen Weihnachtsbaum zum Mitfeiern ein, so dass die Geschichte ohne jeden Missklang, aber auch ohne pathetische Feierlichkeit endet (Naxos NBDO154V). Ingrid Wanja