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2015 gab Jonas Kaufmann sein Rollendebüt als Titelheld von Giordanos Revolutionsdrama Andrea Chénier an der Royal Opera in London. Opus Arte hatte diese Produktion als DVD herausgebracht. Nun legt das Label Bayerische Staatsoper Recordings nach und veröffentlicht in Koproduktion mit Unitel einen Mitschnitt aus dem Münchner Nationaltheater vom Dezember 2017 mit dem deutschen Tenor und Anja Harteros, die hier ihr Rollendebüt als Maddalena gab (BSOREC 1004). Das „Münchner Traumpaar“ war also nach längerer Pause wieder vereint, was für einen Ansturm auf das Kartenbüro sorgte und am Ende der Premiere (12. 3. 2017) für euphorischen Jubel des Publikums.
Philipp Stölzl als Regisseur und Bühnenbildner (in Zusammenarbeit mit Heike Vollmer) hat die Szene in mehrere Räume auf verschiedenen Etagen unterteilt, was die Anmutung einer Puppenstube hat. Häufig laufen in einzelnen Kammern stumme Aktionen parallel zum eigentlichen Geschehen ab, was für Verwirrung sorgt und von den Hauptaktionen auch ablenkt. Zumeist agiert das hungernde, darbende Volk in der untersten Ebene. Nur beim Tribunal gehört die gesamte Szene der Volksversammlung und der Anklage. Die Kostüme von Anke Winckler orientieren sich an der Historie und bieten speziell für Maddalena originelle Kreationen und für die Hofschranzen rund um La Contessa di Coigny (Helena Zubanovich mit üppigem Mezzo) extravagante Rokoko-Roben.
George Petan eröffnet die Auftritte der Hauptpersonen mit Carlo Gérards „Compiacente a’colloqui“ und lässt einen kraftvollen, virilen Bariton hören. Im 3. Akt hat er mit seinem Monolog „Nemico della patria“ eine Glanznummer, die er mit expressiver Gestaltung und reicher Stimmfülle gebührend auskostet, was das Publikum entsprechend honoriert. Anja Harteros als Maddalena hat ihre große Szene im 3. Akt mit „La mamma morta“. Zuvor zeigt sie in der Auseinandersetzung mit Gérard eine solche Widerstandskraft, dass er sogar von ihr ablässt. Die Arie beginnt sie mit visionärer Erinnerung und im Ton ganz zurückgenommen, steigert sie aber dann zu flammender Leidenschaft.
Dritter ist Jonas Kaufmann in der Titelrolle, der sich mit dem Auftrittsmonolog „Un dì all’azzuro spazio“ blendend einführt mit baritonal getöntem, sinnlichem Tenor und sogleich die Aufmerksamkeit von Maddalena (und natürlich auch des Publikums im Saal) erweckt. Glanzvolle Spitzentöne lässt er am Ende seiner Arie im 2. Akt hören. Sopran und Tenor vereinen sich erstmals im schwelgerischen Duett „Ecco l’altare“, das sich nach Maddalenas anfänglicher Verlegenheit und Intonationstrübungen des Tenors zu rauschhafter Lust steigert. Sein Solo im 3. Akt, „Sì, fui soldato“, ist geprägt von trotzigem Aufbegehren und enormem stimmlichem Einsatz. Die wehmütige Abschiedsstimmung von „Come un bel dì di maggio“ fängt er plastisch ein, muss lediglich am Schluss Zuflucht ins Forcieren nehmen. Davon ist auch das Schlussduett nicht ganz frei, doch überzeugt hier beider ekstatische Inbrunst.
Im 2. Akt setzen auch Rachael Wilson als Bersi und Tim Kuypers als Mathieu, der wie Joaquin Phoenix aus dem Film Joker daherkommt, markante Akzente. Im 3. Akt ist es Larissa Diadkova als reife Madelon mit ausladender Stimme, die mit ihrem Auftritt „Son la vecchia Madelon“ Erschütterung erzeugt.
Marco Armiliato am Pult des Bayerischen Staatsorchesters sorgt für Spannung und
Verismo-Stimmung. Auch der Bayerische Staatsopernchor (Stellario Fagone) bietet atmosphärische Momente – so im 1. Akt mit dem bukolischen „Passiamo la sera allegramente!“ oder dem aufgeheizten Finale des 3. Aktes nach Chéniers Verurteilung. Bernd Hoppe