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Harten Prüfungen ausgesetzt sieht sich, wer sich kurz nacheinander einen Rigoletto aus Florenz und eine Halka aus Wien betrachtet, denn kaum hat er den Blutfluss auf den Schenkeln der entjungferten Gilda verkraftet, muss er die Fehlgeburt Halkas mit entsprechenden Ausscheidungen ertragen, fließt auch hier das Blut reichlich. Ganz neu ist der appetitliche Einfall nicht, konnte man doch in Berlin auch Gretchen in Schumanns Faust-Szenen in dieser Verfassung erleben, allerdings mit einiger Berechtigung, während in Moniuszkos Halka das Kind laut Libretto erst einmal lebt und erst später durch ausbleibende Nahrung zu Tode kommt. Eine Fehlgeburt allerdings ist spektakulärer als ein Tod durch Nahrungsentzug, vor allem, wenn von diesem nur berichtet wird, während man in der Inszenierung von Mariusz Trelinski sogar noch der anschließenden Bestattung in einem Erdhaufen im Festsaal des Hotels, in dem der treulose Janusz seine Hochzeit feiert, beiwohnen kann.
Eine Halka-Schwemm gab es zum zweihundertsten Geburtstag des polnischen Komponisten, und die prominentest besetzte kam nicht aus Warschau, wo die Produktion erst später gezeigt wurde, sondern vom in der Spielplangestaltung oft interessanten Theater an der Wien, das aber auch gerade vor wenigen Tagen seinen Skandal mit einer „modern“ inszenierten Tosca einfahren konnte.
Die Regie hat die Handlung aus dem 18.Jahrhundert in die siebziger Jahre des verflossenen verlegt, also in das Polen unter kommunistischer Herrschaft. Ein Hoteldirektor heiratet die Tochter des Hotelbesitzers (gab es solche überhaupt?), die beiden Väter sind guter Dinge, nur das vom Bräutigam verführte und schwanger verlassene Mädchen Halka aus dem Personal funkt dauernd dazwischen, mit traurigen Gesängen vom Falken, der sein Täubchen verlassen hat, wird sogar handgreiflich, indem sie das Brautkleid entwendet und die hochzeitliche Tafel ruiniert. Aber auch sonst geht es rau zu, besteht die Feierlichkeit vor allem aus Saufen, Kotzen, sich der Liebe oder was man dafür hält in derber Form hingebend. Tatsächliche Handlung und Erinnerungen gehen ineinander über, bei letzteren kommt es manchmal zu heftigen Regengüssen, was sich an den hohen Fensterfronten der Drehbühne mit drei Schauplätzen (Szene Boris Kudlička) sehr schön macht. Ein hartnäckiger Verehrer Halkas, der ihr bis zum bitteren Ende treu zur Seite steht, darf zwei sehr schöne Tenorarien singen, die allerdings Tribute an den damaligen Publikumsgeschmack sind und in der ersten Fassung der Oper noch fehlten. Irgendwann wird das alles der Hotelbelegschaft zu bunt, sie muckt kurz auf und will nicht mehr jubeln, und von Halka heißt es, sie sei ertrunken.
Das vorwiegend polnische Publikum soll seine Stars bei der Premiere bejubelt, die Regie aber ausbuht haben. Recht hatte es.
Aus der zwar grässlichen, aber konsequenten Aufführung ragt der Jontek von Piotr BeczaƗa mit zwei Bravourarien heraus, die er in Starmanier wirkungsvoll und mit strahlenden Spitzentönen zur Geltung bringt. Der zweite Star ist Tomasz Konieczny, an den man beim Anhören seines machtvollen Bassbaritons eher an Wotan als an den liederlichen Janusz denkt, den er aber mit Hingabe spielt und so sehr zum Kotzbrocken macht, dass man sich die Verliebtheit Halkas schwer erklären kann. Diese wird von der hübschen brünetten Amerikanerin Corinne Winters anrührend gespielt, ihr etwas anonymer Sopran ist klar und wird schlank geführt, in der Schlussszene weiß sie den zunehmenden Wahnsinn fein entrückt auch vokal darzustellen. Das in der Inszenierung dumme Blondchen Zofia findet in Natalia Kawalek und ihrem angenehm ebenmäßigen Sopran eine angemessene Verkörperung. Vokal hochpräsent ist der Brautvater Stolnik in der Verkörperung von Alexey Tikhomirov, weniger gelingt dies dem Dziemba von Lukasz Jakobski. In die Vollen geht Lukasz Borowicz mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien und lässt die volkstümliche Musik ganz besonders in den Tänzen auf die erbärmliche Szene prallen. Tadellos erfüllt der Arnold Schoenberg Chor unter Erwin Ortner seine Aufgabe (Unitel 805708). Ingrid Wanja