Musikalisch attraktiv

 

Mehr Glück in modernen Zeiten als ihre nur wenig ältere, ebenfalls in Paris uraufgeführte Schwester Lucie hat La Favorite Léonor und das sogar auf italienischen Bühnen, wobei man allerdings bedenken muss, dass die Produktion von Donizettis Oper nicht nur beim diesjährigen Maggio Musicale Fiorentino, sondern auch in Madrid und in Barcelona aufgeführt wurde.

Die konventionelle Inszenierung, in der eigentlich nur der Intrigant Don Gaspar (von Manuel Amati mit scharfem Charaktertenor in die Nähe eines sich windenden Spoletta gebracht) sich um eine prägnante Darstellung bemüht, alle anderen sich eher in einer halbkonzertanten Aufführung zu ergehen scheinen, wird von Ariel Garcia-Valdés verantwortet, das sparsame Bühnenbild von Jean-Pierre Vergier, der auch die Kostüme mit viel Glitzer (selbst die Kutten sind aus Lurex-Material) geschaffen hat. Ein schwarzes Ungetüm ist mal Steilküste, mal Klosterpforte, mal Turm im königlichen Palast, die Damen des Chors oder zumindest ihre hochgetürmten Perücken scheinen allesamt aus Afrika zu stammen, die Herren tragen Teesiebartiges auf den Häuptern. Alles in allem wirkt die Optik recht provinziell.

Sehr viel besser ist es um die musikalische Aufführung bestellt, denn Fabio Luisi entlockt dem Orchester eine breite Palette vom zarten Antippen der Themen bis zum wirkungsmächtigen Aufbauen besonders des Finales vom 3. Akt. Die Sinfonia lässt viel Italianità hören trotz der französischen Version, und als Sängerbegleiter stellt der inzwischen auch ergraute Dirigent seine von ihm bekannten Qualitäten unter Beweis.

Eher wie ein eleganter Weltgeistlicher als ein strenger Glaubenskämpfer wirkt der Balthazar von Ugo Guagliardo, der allerdings eher optisch als vokal Bewunderung erzeugt. Sein Bass ist eher dunkelgrau als schwarz,  in der Tiefe hohl, und ein beeindruckender Fluch ist einfach zu wenig für die Partie. Publikumsliebling ist, wie der Schlussapplaus beweist, der Bariton Mattia Olivieri mit angenehmer Erscheinung, warm und ebenmäßig gefärbter Stimme von schönem Ebenmaß. Gegenüber diesen beiden attraktiven Herren wirkt Celso Albelo als Fernand noch rundlicher, ländlicher und unbedarfter als bereits für sich genommen, aber er entschädigt mit einer stilsicher geführten, hellen, in Mittellage wie strahlender Höhe gleich präsenter Tenorstimme, die das berühmte „Ange si pur“ nicht weinerlich, sondern wunderschön melancholisch singt.

Einen frischen, jungen Sopran steuert Francesca Longari, die den „doux zéphyr“ anmutig wehen lässt, als Ines bei. Veronica Simeoni ist eine attraktive Léonor. Der Mezzo ist bereits in den großen Verdi-Partien zu Hause, sie weiß aber hier die Stimme schlank zu halten, bleibt auch in den Höhen reich an Mezzofarben und singt „O mon Fernand!“ mit sanftem Wohllaut. Ihr Ende verklärt sie mit visionärem Klang.

Insgesamt rettet sich die optisch eher ärmlich wirkende Produktion durch die guten Leistungen im akustischen Bereich (Dynamic 57822). Ingrid Wanja