Es ist die allertraurigste unter Verdis Opern, des Komponisten, dem es erst am Lebensende gelang, eine Komödie mit Erfolg zu vertonen, denn selbst Otello darf zu Beginn der gleichnamigen Oper „Venere splende“ schmachten, Violetta erlebt glückliche Wochen mit Alfredo auf dem Lande und Gilda träumt vom „Caro Nome“ und erlebt so ein kurzes Glück. In I due Foscari hingegen herrscht Trübsinn von Anfang an, sind alle drei Personen in einer aussichtslosen Lage, der Intrige des herrsch- und rachsüchtigen Loredano hilflos ausgeliefert. Kein Wunder, dass Venedig nicht daran interessiert war, ein Werk uraufzuführen, das die Stadt in so düsterem Licht erscheinen ließ. So wurde Rom zur Geburtsstätte der Oper, die vielleicht auch wegen der traurigen, von keinem Hoffnungsschimmer erleuchteten Handlung nie so recht Fuß fassen konnte auf den Opernbühnen. Dabei hat sie drei ganz wunderbare, von Leitmotiven begleitete Partien für Sänger, und die drei großen Baritone der jüngsten Vergangenheit, Piero Cappuccilli, Renato Bruson und Leo Nucci wussten sich das zunutze zu machen, schufen eindringliche Rollenportraits vorzugsweise in der Inszenierung von Pier Luigi Pizzi.
Das Genueser Label Dynamic, das dem Opernfreund schon Zugang zu so mancher interessanten italienischen Aufführung verschafft hat, hat nun auch eine DVD von den Verdi-Festspielen 2019 in Parma, der Verdi-Stadt par excellence, auf den Markt gebracht, allerdings wird auch Parma nicht mehr seinem Ruf gerecht, sei es der des kritischsten und buh- und pfeiffreudigsten Publikums der Opernszene, sei es der der Erwartung, in dieser Stadt bekäme man noch italienische Sänger zu hören.
Regisseur Leo Muscato hat das Stück in der Verdizeit angesiedelt, was die Kostüme von Silvia Aymonino bezeugen und was nicht weiter stört, wenn man nicht weiß, dass es zu dieser Zeit längst keinen Dogen von Venedig mehr gab, der letzte bereits 1802 gestorben war. Andererseits stört die Gewandung des Chors in Gehrock und Zylinder auch nicht besonders, und der Rundhorizont mit Portraits verstorbener Dogen im ersten Akt, die Scheibe als Ort der Handlung, die von Bühnenbildner Andrea Belli entworfen wurden, sind so stimmungsträchtig wie zweckmäßig.
Am Pult der Filarmonica Arturo Toscanini, verstärkt durch das Orchestra Giovanile della Via Emilia steht Altmeister Paolo Arrivabeni, ein Kapellmeister im besten Sinn des Wortes, der die Kontraste in Tempi und Lautstärke auskostet, Straffheit und Brio gleichermaßen walten lässt. Der Coro del Teatro Regio di Parma, einstudiert von Martino Faggiani, weiß natürlich auch, wie man Verdi zu singen hat, und lässt den Zuhörer daran teilnehmen.
Wie bereits erwähnt, gibt es keine italienischen Sänger für die drei Hauptpartien, nur der mit wenig Musik bedachte Jacopo Loredano wird von Giacomo Prestia mit machtvoller Röhre gesungen, lässt dessen unversöhnlichen Rachedurst in schwarzen Tönen hörbar werden. Vor allem in der Emilia Romagna und ihren Theatern, auch im Veneto ist Vladimir Stoyanov ein gern gesehener Gast. Der Kontrast zwischen körperlicher Hinfälligkeit, deren Darstellung extrem ausgekostet wird, und stimmlicher beachtlicher Potenz für den alten Dogen ist bemerkenswert, die Baritonstimme besticht durch ihre warme Farbe, und im „Questa è dunque“ des letzten Akts wächst der Sänger, was vokale und darstellerische Eindringlichkeit betrifft, über sich selbst hinaus. Ganz zum Schluss wünscht man sich mehr Verinnerlichung, als er aufzubringen im Stande oder willens ist. Für den Schmerzensmann Jacopo ist der Tenor Stefan Pop, den man sich gut in Donizetti-Rollen vorstellen kann, etwas zu hell, die Stimme klingt in der Höhe weinerlich, was bei dieser Partie penetrant wirken kann, die Phrasierung ist nicht die großzügigste. Die Cabaletta im ersten Akt liegt ihm besser als die Arie im ersten Akt, für „Perpetua notte“ opfert er einer erzwungen wirkenden Dramatik die musikalische Linie, verliert er die musikalische Contenance. Gefallen kann der Tenor in einem ausdrucksvollen „Da voi lontano la morte“. Die struppige Perücke wirkt optisch geradezu entstellend. Aus Mexiko stammt Maria Katzarava, einst Gewinnerin von Domingos Operalia, inzwischen zwischen den hübschen Chordamen durch enorme Körperfülle wie ein Fremdkörper wirkend. Vokal kann sie gefallen durch einen kristallklaren Sopran, gut gestützte Piani, schön ausgeformte Töne. Wird es allerdings dramatisch, dann entgleist die Stimme schon einmal, wird sie im Terzett scharf wie auch im letzten verzweifelten Ausbruch.
Auf die teilweise nicht höchsten Ansprüchen genügenden Sängerleistungen reagiert das Publikum für ein italienisches untypisch mit mattem Applaus für die Arien und stürmischem Beifall am Schluss (Dynamic 37865). Ingrid Wanja