Les beaux moments

 

Im September 2018 hatte Glucks Orphée et Eurydice in der von Hector Berlioz bearbeiteten Fassung an der Pariser Opéra Comique begeistert gefeierte Premiere (an der man auf Arte teilhaben konnte). Ein Mitschnitte von zwei Vorstellungen ist jetzt bei Naxos als DVD erschienen, ein wahrer Glücksgriff! Bei dieser Aufnahme stimmt einfach alles, die Gestaltung auf der Bühne, Chor und Orchester des fabelhaften Ensembles Pygmalion sowie drei glänzende Gesangssolisten. Aber schön der Reihe nach: Als erstes möchte ich die Darstellerin des Orphée nennen, die junge, auf dem Weg zur Weltkarriere befindliche Marianne Crebassa. Ihre durch alle Lagen wunderbar ausgeglichene Stimme verfügt über eine faszinierende Vielfalt von Farben, die die französische Mezzosopranistin in allen Passagen gekonnt zur Entfaltung bringt, ob in den lyrisch verhaltenen Trauerphasen, bei den sehnsüchtigen Rufen nach der Geliebten oder in den dramatischen Ausbrüchen. Dazu kommt eine Gestaltung des verzweifelten Orphée, die von Beginn an anrührt. Mit kultiviert geführtem, charaktervollem Sopran gefällt Hélène Guilmette als Eurydice ebenso wie der flexible Mezzo von Lea Desandre in der kleinen Partie des Amour, hier als Frau dargestellt. Auch die szenische Verwirklichung überzeugt rundum; der Regisseur Aurélien Bory lässt auf der von ihm gemeinsam mit Pierre Dequivre gestalteten Bühne das mythologische Geschehen ohne jedes Mobiliar und ohne konkrete Ortsbestimmung ablaufen. Durch raffinierte Spiegelungen und immer wieder überraschende Lichteffekte (Arno Veyrat) entsteht eine diffuse Atmosphäre, die die Welt zwischen Diesseits und Totenreich charakterisiert. Eine wichtige Rolle spielen die Choristen sowie sechs Tänzerinnen und Tänzer, die die Gefühle der Protagonisten mitempfinden oder ihnen beim Eintritt in die Unterwelt entgegenstehen. Dabei ist der sehr homogene, exzellent ausgewogene Klang des Chores des Lausanner Ensembles Pygmalion auffällig, ganz gleich, ob die Choristen im Liegen oder sich teilweise sehr lebendig bewegend singen müssen. Dies ist auch dem Gründer des Ensembles Raphael Pichon zu verdanken, der souverän mit durchweg angemessenen Tempi für ein stets ansprechendes Musizieren des wie aus einem Guss spielenden Orchesters sorgt. Diese DVD kann man sich gut mehrmals ansehen (NAXOS 2.1106.38). Gerhard Eckels