Hör-Spass mit Irren

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Nach einem Parsifal, in dem Gurnemanz Kundry ein Messer in den Rücken rammt, einem Tristan, in dem Isolde nach dem Liebestod ihren Wecker stellt, nun aus dem Theater an der Wien ein Ange du Feu/ Feuriger Engel von Prokofiev, der vom Beginn des ersten bis zum Ende des fünften Akts in einem Irrenhaus beheimatet ist. Seltsam ist sie zwar die Geschichte von Renata, die glaubt, eine Liaison mit einem Engel zu haben, und die schließlich in den Händen der Inquisition landet, nicht ohne dass so interessante Figuren wie Faust und Mephisto im mittelalterlichen Köln auftauchen, viel von Magie, von Rittertum und sehr sehr viel von Erotik die Rede ist und eigentlich auch zu sehen sein sollte.

Andrea Breth jedoch verortet die gesamte Geschichte in ein Irrenhaus, in dem alles geschieht, was man sich an Schrecklichem nur vorstellen kann, die einzige wirklich sympathische Figur ein Plüschteddy ist, den Renata in Ermangelung menschlicher oder göttlicher Liebhaber an sich presst. Mit einem Aufwand ohne Gleichen ist schließlich, um der Klappsmühle treu zu bleiben, für das Kloster des letzten Akts ein Turm von Krankenbetten  aufgebaut, in dem die Nonnen umher turnen. Martin Zehetgruber  und die Technik haben da als Bühnenbildner und –arbeiter Erstaunliches geleistet und auch Andrea Breth hat minutiös alle möglichen und unmöglichen Behandlungsmethoden wohl studiert und dann auf di Bühne gebracht- nur fragt man sich mehr als einmal, wer so genau wissen will, wenn er in die Oper geht, wie man Patienten be- und misshandeln kann, welche Art von psychischen Störungen  man dem Lehrbuch für Psychiatrie entnehmen und naturalistisch darstellen kann. Leicht konnte es sich Kostümbildnerin Carla Teti machen, denn außer Arztkitteln und Patientenhemdchen musste nichts entworfen werden, und dafür gibt es außerdem Vorbilder im realen Leben genug. Koffer, natürlich, Chirurgenbesteck, Spritzen, Schreibmaschinen und Aktenberge wischen auch schnell noch der Krankenhausbürokratie eins aus, der Höhepunkt der Scheußlichkeiten ist erreicht, wenn Fleisch aus der Brust eines Patienten gerissen, auch Ruprecht ein Brocken davon zugeworfen wird, kurzum, das Ganze ist eine Welt des kalten Grauens, nicht der Buntheit, des Geheimnisvollen, Erotischen und Gespenstischen. Und auch die Titelfigur verliert schnell das Interesse des Zuschauers, da sie lediglich ein klinischer Fall ohne jedes Geheimnis, das sie doch eigentlich umwittern sollte, ist. Irgendwie folgt die Regie der Logik, dass irr ist, was man nicht versteht, was zu einem ständigen Kampf der Musik mit der Szene führt.

Die Frage ist, ob man der Oper, die es nie leicht hatte, mit einer solchen Inszenierung einen Gefallen tut. Das Werk stammt aus dem Jahre 1927. Nach Prokofievs Tod wurde die Oper 1954 zum ersten Mal, aber nur konzertant, in Paris in französischer Sprache aufgeführt, in italienischer Sprache 1955 in Venedig, von da ging die Strehler-Produktion an die Scala, wo Christel Goltz die Renata sang. 1959 sang Leyla Gencer in Triest, 1960 gab es in Köln die deutsche Erstaufführung in der Regie von Oskar Fritz Schuh.   

Vorzüglich ist die Besetzung im Theater an der Wien, so mit Aušriné Stundyté als Renata mit wunderbar geschmeidigem, stets rund und weich bleibendem Sopran, der viel Interesse an der Sängerin, wenn auch nicht an der Figur, die sie darstellt, erwecken kann. Bewundernswert ist auch, wie sie es versteht, trotz der szenischen Agilität, des Herumspringens wie auch des blöd vor sich hin Stierens der Irren eine untadelige vokale Leistung zustande zu bringen. Ein Sänger für die schwierigen Fälle war immer schon Bo Skovhus, der als Ruprecht ebenfalls Insasse des Irrenhauses mit entsprechender Optik ist und der seinen markanten, dabei flexiblen Bariton einmal mehr bewundern lassen kann. Wie wenig Andrea Breth die Geschichte und ihr Personal wirklich interessiert hat, sieht man daran, dass Figuren zusammengelegt werden, so Wirtin und Äbtissin, die beide von Natascha Petrisnky mit warmem, mütterlich klingendem Mezzosopran verkörpert werden, Agrippa und Mephisto, die Nikolai Schukoff mit hochpräsentem Tenor singt, Mathias und Faust, denen Markus Butter, Jakob Glock und Arzt, denen Andrew Owens und schließlich Wirt und Diener, denen Kristjan Johannesson seine Stimme verleiht. Auf eine Partie beschränken darf sich Elena Zaremba, die mit der Rolle der Wahrsagerin Erinnerungen an ihre vielen Carmen wachruft.

Vorzüglich sind die Damen vom Arnold Schoenberg Chor, in vielen Farben schillert das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Constantin Trinks und macht gemeinsam mit den Sängern die Aufnahme immerhin zu einem Hörvergnügen (Unitel 805908/weitere Information zu den CDs/DVDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei www.naxosdirekt.de). Ingrid Wanja