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Mit Sturmgeheule, Wellenschlagen und Krähenflug beginnt die Produktion von Verdis Macbeth in der Regie von Christoph Loy im Teatro Real von Barcelona und stimmen schon einmal, bevor die Musik beginnt, auf ein düsteres Geschehen ein. Bereits hier, wie auch noch an anderen Stellen liegen viele schöne, aber tote junge Männer am Boden, einer davon wird später immer wieder an der Seite Mabeths auftreten, sogar im dankenswerterweise nicht gestrichenen Elfenballett ist ein solcher im Tutu zu bewundern, und auch ein Splitterfasernackter huscht aus welchem Grund auch immer verschämt über die Bühne. . Um gleich bei den Änderungen im Vergleich zu konventionellen Aufführungen zu bleiben: Nach „Pietà, rispetto, onore“ darf Macbeth noch die Schlussarie aus der ersten Fassung der Oper singen, dafür fällt die Übergabe der Krone an Malcolm weg, di in neueren Produktionen meistens deutlich zu verstehen gab, dass nun eine neue Tyrannei die vorherige ablösen würde. Eine weitere Änderung ist der Tod der Lady im Beisein des Gatten, der fürsorglich eine Decke über ihr ausbreitet, was dann die aus der entgegengesetzten Ecke mit „È morta la regina“ herbeieilende Dama recht lächerlich wirken lässt. Aber so kleine Lapsus verzeiht man angesichts einer Inszenierung , die insgesamt den Geist des Stücks erfasst hat und wiederzugeben versteht. Dazu passt auch die hochschwangere Lady Macduff, die ein Giftblick der Lady Macbeth beim Bankett streift, die Protagonisten erst in dunkler, dann weißer Haarpracht, weniger der Sohn Bancos, der alt genug erscheint, sich in die Schar schöner junger Männer einreihen zu können, oder der Geist Bancos (?) in Pumps und Röckchen. Eine Choristin, die aussieht wie eine junge Lady Macbeth, regt zum Nachdenken über die noch unbefleckte Vergangenheit des Paares an. Die Produktion stammt aus dem Jahr 2016 und frönt offensichtlich der Idee der sexuellen Vielfalt. Identisch sind Hexen und Dienstpersonal, das seine Bärte auf weiblichen Gesichtern auch beim Bankett beibehält und recht naturalistisch seine Zaubersuppe zubereitet. Das alles erzeugt genau die Stimmung, die sich Verdi und sein Librettist vorgestellt haben könnten, so wie auch die wie ein Schwarz-weiß-Film gehaltene Szene (Jonas Dahlberg) und die Kostüme (Ursula Renzenbrink), die für die Lady äußerst attraktiv sind. Die Strenge und Kühle, die Loys Produktionen oft ausstrahlen, passt sehr gut zum Stück und zur Musik.
Ein hervorragender Macbeth ist der französische Bariton Ludovic Tezier mit farbenprächtiger, geschmeidiger Stimme, großzügiger Phrasierung und reicher Agogik. Die Regie sieht ihn als von Anfang an Verstörten, Schwermütigen, eher lieber Untätigen. Seinetwegen freut man sich über die Zugabe aus der ersten Fassung der Oper, auch wenn Verdi wusste, warum er diese ersetzte. Der auf der Bühne recht rabiate, düster dräuende Banco von Vitalij Kowaljow hat die notwendige Bassschwärze und Durchschlagskraft für seine beiden Arien. Inzwischen hat sich der Tenor von Saimir Pirgu, der den Macduff singt, weiter entwickelt. In der vorliegenden Aufführung klingt er recht hell, seine Überzeugungskraft wird nicht dadurch erhöht, dass er sein „Dalla paterna mano“ von einem Spickzettel ablesen muss. Die begehrte lacrima nella voce hatte sich damals noch nicht entwickelt. Eine angenehme Dama ist Anna Puche, der Malcolm von Albert Casals hat wegen des Streichens des Schlusses nicht viel zu melden, markant äußert sich der Medico von David Sanchez, immer attraktiv bleibt Marc Canturri als Servo, Araldo und Assassino.
Und die Lady? Martina Serafin hat zwar nicht von Natur aus eine Lady-Stimme, bemüht sich aber mit wechselndem Erfolg um eine schneidende, scharfe Sopranstimme, die manchmal eher säuerlich klingt, aber auch Passagen schöner Herbheit aufweist, dem Brindisi wünschte man mehr Leichtigkeit, dem „La luce langue“ verleiht sie die angestrebte Dämonie, und dem „Una macchia“ eine nuancenreiche nachtwandlerische Sicherheit mit einem strahlenden hohen Ton aus dem Off.
Phantastisch ist der Chor, und „Patria oppressa“ ein Höhepunkt der Aufführung, Giampaolo Bisanti ist für die Italianità aus dem Orchestergraben zuständig und enttäuscht nicht. Alles in allem eine erfreuliche Aufnahme mit einigen Spitzenleistungen (C-Major 768804). Ingrid Wanja