Goldene Zeiten

 

Für Verwirrung und meistens auch Enttäuschung sorgte in den Achtzigern der Name Herbert von Karajan auf den Spielplänen der Deutschen Oper Berlin, denn wenn der von Vorfreude erfüllte Besucher von Verdis  ll Trovatore nicht den Stardirigenten, sondern einen weniger bekannten ans Pult eilen sah, musste er zur Kenntnis nehmen, dass Ersterer gemeinsam mit Theo Otto (Bühnenbild) und Georges Wakhewitsch (Kostüme) nur für die Optik verantwortlich war, dass es sich bei der Berliner Produktion um die Übernahme aus Wien bzw. Salzburg handelte. In Salzburg war sie 1962 zum ersten Mal zu sehen, kam danach nach Wien und war später an beiden Bühnen die Grundlage für Wiederaufnahmen.

Bekanntlich braucht der Trovatore für eine erfolgreiche Aufführung „nur“ die vier, in Wahrheit die fünf besten Sänger der Welt. An der Wiener Staatsoper waren sie 1978, als die bei Arthaus primastered wiederaufgelegte Aufnahme entstand, tatsächlich versammelt. Franco Bonisolli, berühmter Manrico, hatte sich da allerdings mit seiner Weigerung, die Stretta nach ausgebuhtem „Ah,si, mio ben“ zu singen bei der Generalprobe bereits um seinen Auftritt bei der Eurovisionssendung gebracht. An seiner Stelle singt der junge Plácido Domingo.

Bereits im ersten Bild hält man den Atem an ob der glänzenden Leistung von José van Dam als Ferrando mit so profundem wie exakt konturiertem Bass, mit perfektem Brio und wunderbarer Phrasierung. Nur selten bemerkt man wie hier, was die Partie von dem Sänger an Finessen verlangt, da er sie lückenlos zu Gehör bringt. Es war nur gerecht, dass er nach dem Aufzug einen Solovorhang bekam.

Als Einziger aus der Salzburger Aufführung von 1962 ist noch Piero Cappuccilli als Luna im Ensemble und lässt nicht nur mit seinem Rezitativ zu „Il balen del suo sorriso“ mit seinem bora-gestählten Bariton die Kirchenfenster in ihren Fugen erzittern. Er ist einfach der vom Material her allergrößte Verdi-Bariton, singt schier endlose Phrasen mit einer Stimme aus einem Guss, von schönster Farbe und mühelos von der machtvollen „tempesta“ ins Decrescendo des „ del mio cor“ überwechselnd.

Von fiebriger Eindringlichkeit ist das „mi vendica“ der Azucena, die von Fiorenza Cossotto, kontrolliert auch in den leidenschaftlichsten Ausbrüchen, gesungen und hingebungsvoll gespielt wird. Die Stimme verliert sich nie in unangenehme Brustigkeit, selten hört man eine Sängerin so ausdrucksstark singen, ohne dass jemals die Gesanglinie verletzt wird. Cossotto ist eine Meisterin der sfumature, die das Getriebensein der Figur wunderbar wiedergeben.

Nicht das gesegnete Material ihrer Kollegen hat Raina Kabaivanska für die Leonora, die nie ihre beste Partie war, da sie erst in den veristischen Frauengestalten wie Francesca oder Adriana ihre cavalli di battaglia fand. Aber was ihr an vokalen Voraussetzungen fehlt, macht sie mehr als wett durch die Raffinesse ihres Singens: durch schwebende Piani, eine federleichte Cabaletta im zweiten Bild, einen schönen Jubelton und die feinen Gespinste der Rezitative. Ein sanfter Tonansatz, fein ausgeformte Bögen und eine Superkadenz tun das Übrige, dazu noch die elegante Optik, dass sie mitverantwortlich wird für den Erfolg der Produktion.

Über Plácido Domingos acuti, insbesondere in der Stretta des Manrico, ist viel spekuliert worden. Er ist einfach sein in sich ruhendes Selbst, lässt seinen bronzefarbenen Tenor für sich sprechen, fermatenreich, gut phrasierend und damals noch mit durchaus lyrischen Zügen.

Von Karajan lässt die Opulenz der Wiener Philharmoniker durchaus zu ihrem Recht kommen, ist aber als Begleiter unübertreffbar feinfühlig und rücksichtsvoll und hat sich den Riesenrosenstrauß, für die Säger gibt es nur kleine, sicherlich verdient. Der Regisseur Karajan aber hat nicht weniger umsichtig für die Solisten die besten Bedingungen dafür geschaffen, dass sie Optimales leisten können (Arthaus  109 334). Ingrid Wanja