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Die mit Abstand größte Aufregung provozierte im Herbst 2022 nicht die Tatsache, dass das Götter-, Menschen-, Zwergendrama von Wagners Ring des Nibelungen von der Regie jedweden Mythos‘ entkleidet worden war, auch nicht, dass anstelle von Daniel Barenboim wegen dessen gesundheitlicher Beeinträchtigung Christian Thielemann das Dirigat an der Staatsoper Berlin übernahm, sondern es war ein halbes Dutzend kuscheliger Kaninchen, das für Aufregung sorgte. Zum aufwändigen Bühnenbild, wohl eine Anstalt zur Erforschung menschlichen Verhaltens darstellend, gehörte neben Konferenzsaal, Stress-Labor, Wartezimmer und anderem auch ein Raum, in dem, so legten es die in Käfigen gehaltenen Säuger nahe, Tierversuche stattfinden. Das oder vielmehr erst die Premierenkritiken riefen PETA auf den Plan und führten zu einer langen Diskussion über vermeintliches Wohl und Wehe der Tierchen und letztendlich zu deren Ersatz durch Stofftiere.
Jetzt gibt es die vier Blurays von den Premieren der Ring-Teile, und deren Betrachter kann sich davon überzeugen, dass es den nun auch in Großaufnahme erscheinenden Kaninchen prächtig ging, sie keinerlei Zeichen von Stress zeigten, sondern unbeeindruckt mümmelten und von dem reichlich vorhandenen Heu schnabulierten. I. W.
Im Folgenden nun die Besprechungen der vier Einzelopern auf DVD bei Unitel. Den Beginn macht – natürlich – Das Rheingold, und die obige Überschrift gilt nach Beurteilung der Rezensentin für alle vier Teile. G. H.
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Das Rheingold: Daniel Barenboim hatte sich, obwohl der letzte Ring noch im Schillertheater seine Premiere erlebt hatte und der der Deutschen Oper fast zeitgleich nach vielen Jahrzehnten im Zeittunnel Götz Friedrichs entstand, zum 80.Geburtstag einen neuen Ring gewünscht. Erfahrungen mit einem brutalisierten Parsifal und einem banalisierten Tristan jeweils in der Regie von Dmitri Tcherniakov hatten ihn offensichtlich nicht geschreckt, und auch sein Nachfolger am Dirigentenpult zeigte sich mit dem entzauberten, banalisierten Ring dieses Regisseurs einverstanden. Dessen Vorzüge bestehen darin, dass die Charaktere nicht verändert wurden, ihre Nachteile, dass ihr Verhalten nicht nachvollziehbar ist, umso weniger, wenn, um nur einige Beispiele zu nennen, Alberich nach Verlust von Gold und Ring, wobei es zwar diesen, ansonsten aber weder Rhein noch Walhalla, weder Kröte noch Riesenschlange, in die Gummizelle abgeführt wird. Wie konnte er da Hagen zeugen? Das Geschehen gipfelt in einem albernen Kindergeburtstag mit Luftschlangen und Minifeuerwerk.
Wenn es dann zum Schlussapplaus kommt, staunt, wer die Premiere erlebte, nicht schlecht, welch stürmischen Beifall Rolando Villazon für seinen banalen, von Stimmproblemen geplagten Loge erhält, obwohl er doch heftig ausgebuht wurde, allerdings schlimmer, als hier wahrnehmbar, war. Wurde da nachgebessert? Der noch vielheftigere Buh-Sturm für das Regieteam wird hingegen unterschlagen, so getan, als wäre dies gar nicht auf der Bühne erschienen.
Hin- und hergerissen zwischen dem unterschiedlichen Sinneseindrücken, die Auge und Ohr vermitteln, das eine beleidigend, das andere umschmeichelnd, schaltet das Gehirn auf Resignation oder Rebellion. Im Falle Rheingold an der Lindenoper ist die Beschränkung auf das Hören anzuempfehlen, denn was Christian Thielemann im Orchestergraben zaubert ist sensationell, auch weil der Klang der Staatskapelle, deren Chef er bald sein wird, sowohl zu Wagner wie zu seinen Klangvorstellungen optimal passt. Dass der Dirigent über dem Klangrausch die Bedürfnisse der Sänger nicht vergisst, ist zusätzlich lobenswert.
Ein Wotan, der akustisch alles das ist, was er szenisch nicht sein darf, bildet mit Michael Volle das Zentrum der Aufführung, ein machtvoller, stimmschöner, hoch diszipliniert eingesetzter Bariton. Weniger edler im Timbre und damit rollengerecht als Alberich und insgesamt vorzüglich ist Johannes Martin Kränzle, als Mime lässt Stephan Rügamer bedauern, dass er nicht der Loge sein darf. Mika Kares macht mit samtschwarzem Bass die Liebessehnsucht des Fasolt glaubwürdig, Peter Rose mit derberem Material die Sucht nach dem Gold, die Fafner plagt. Lauri Vasar und Siyabonga Maqungo als Donner und Froh lassen keinen Wunsch übrig. Sensationell gut mit weichem, verführerischem Alt gibt Anna Kissjudit eine Erda, zu der der Regie nur eingefallen ist, dass sie irgendwie zum Personal gehört. Claudia Mahnke war bereits als Fricka in Frankfurt aufgefallen und bestätigt in Berlin den überaus günstigen Eindruck. Anett Frisch muss als Freia verklemmt sein, singt aber schön, die Rheintöchter sind mit den Stimmen von Evelin Novak, Natalia Skrycka und Anna Lapkovskaja fein aufeinander abgestimmt. Eingekauft haben wohl alle Damen im GUM der Vor-Putin-Zeit (Elena Zaytseva). Mit geschlossenen Augen und offenen Ohren ist ein Wagner-Hochgenuss garantiert (Unitel 809904).
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Die Walküre – ernüchternde Optik. Vielleicht war es gar keine so schlechte Entscheidung, Dmitry Tcherniakov für das Inszene-Setzen von Wagners Ring an die Staatsoper Berlin zu engagieren, denn wie wäre wohl der Schlussapplaus für die Walküre ausgefallen, hätte sich zu der wunderbaren akustischen Umsetzung der Partitur durch Christian Thielemann auch noch eine optisch ansprechende gesellt?! Vielleicht hätten Wände und Dachkonstruktion des Hauses einem noch machtvolleren Beifallssturm nicht standgehalten, als er für Sänger und Orchester und ganz besonders für den Dirigenten ertönte und gar nicht mehr enden wollte. So aber wurden die Gemüter wohl immer wieder abgekühlt durch einen Siegmund als entflohener Sträfling mit wenig schmeichelhaftem Steckbrief, das Ehepaar Hunding in einem Tiny-Haus auf dem Gelände der Forschungsanstalt E.S.C.H.E angesiedelt, in dem aber auch Wotan und Brünnhilde zeitweise zu hausen scheinen, sich jedenfalls zuhause fühlen, denn sie wissen, wo das Bier im Kühlschrank zu finden ist. Da rafft Sieglinde vor der Flucht noch sämtliche Textilien zusammen, leert Siegmund den Kühlschrank bis auf besagte zwei Flaschen, und Nothung landet in der Plastetasche. Da fällt dem Opernfreund doch gleich Manon Lescaut beim Zusammenraffen der Kleinodien ein. Längst ist es gang und gäbe, auf der Bühne seine Notdurft zu verrichten, was in diesem Fall Hunding tut, während Sieglinde und Siegmund ihre Flucht durch zwei Etagen mit gefühlt hundert schlagenden Türen vollziehen , vorbei an unzähligen Kaninchenställen mit „echten“ Tieren darin und schließlich Hunding als Unschuldslamm da steht, denn es sind Wachleute, die sich Siegmunds bemächtigen und Wotans „Geh!“ als völlig ungerechtfertigt erscheinen lassen. Unspektakulärer als die an der Lindenoper kann keine Walküre sein, denn anstelle eines Feuers, das die schlafende Brünnhilde umlodert, malt diese nur kleine Flämmchen auf die vielen die Bühne füllenden Stühle und bleibt hellwach. Lustig wird es immer, wenn allzu Alltägliches den Mythos ad absurdum führen will, wie das Babyfläschchen, das Brünnhilde der werdenden Mutter zusteckt und den Zuschauer sich die profane Frage stellen lässt, ob die darin enthaltene Milch wohl bis zu Entbindung genießbar bleibt. Mit all diesen putzigen Einfällen wird klar, dass die Regie sich beharrlich weigert, anzuerkennen, dass das Personal des Ring sich nicht auf Menschen beschränkt, sondern es lässt die Götter nicht nur menschlich, sondern durchweg allzu menschlich erscheinen, entzieht der Musik die Unterstützung durch eine adäquate Optik auf der Bühne. Der Genuss der Bluray ist allerdings bei weitem dem Live-Erlebnis vorzuziehen, denn da durch die vielen Nahaufnahmen der Sänger das sie umgebende Ambiente weitgehend ausgeblendet wird, kann dieses seine störende Wirkung weniger entfalten und den Genuss des Hörens nicht so stark beeinträchtigen.
Was sich im Orchestergraben unter der Leitung von Christian Thielemann abspielt, ist allerdings so phantastisch in seiner Klarheit, seinem Reichtum an Agogik, von zartesten Gespinsten bis zum brillanten Klangrausch reichend, der umso beeindruckender ist, als er aus einer auch ganz zurückhaltenden und die Sänger schonenden Grundhaltung erwächst.
Eine ganz großartige Leistung vollbringt Michael Volle als Wotan mit einer breiten Scala von zarten bis hin zu urgewaltig mächtigen Klängen, sein Göttervater ist akustisch um einige entscheidende Grade edler als die Regie ihn haben wollte. Ihr Rollendebüt als Brünnhilde gibt Anja Kampe und ist eine so resolute wie sensible Walküre, auch im extremen Forte nie schrill, sondern unangestrengt und warm klingend, strahlend in der Höhe und substanz-und nuancenreich in der Mittellage. Ihre Halbschwester Sieglinde, verkörpert durch Vida Miknevičiūté, prunkt mit einer helleren, ausgesprochen „blonden“ Stimme und rührt durch ihre empfindsame Darstellung. Auch optisch ist sie die Sieglinde, die man sich immer gewünscht hat, und das „hehrste Wunder“ erscheint tatsächlich als ein solches. Claudia Mahnke in spießiger Gewandung verleiht der Fricka vokale Würde mit einem frei strömenden Mezzosopran. Mika Kares hat für den Hunding fast eine zu schöne, auf jeden Fall aber auch hochpräsente Bassstimme. Eher gefallen als bei der Premiere kann der Siegmund von Robert Watson mit auch hier kraftvollen, aber nicht mehr unangenehm klingenden Wälserufen, dem Tenor fehlt hier weniger das Strahlende, das auch vom Publikum bei der Premiere vermisst wurde, wie Unmutsäußerungen bewiesen. Etwas unausgeglichen lassen sich die Walküren vernehmen, aus deren Kreis immer noch Clara Nadeshdin als Gerhilde angenehm herausragt (Unitel 810104).
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Siegfried – im nicht vorhandenen Wald nichts Neues. Zum dritten Mal das gleiche Spiel: Man kann gar nicht genug bekommen von Wagners Musik, dargeboten von der Staatskapelle unter Christian Thielemann, getragen und dennoch ungemein spannungsvoll, die Details auskostend und doch nie den großen Spannungsbogen aus den Augen verlierend, rauschhaft aufbrausend und doch nie die Sänger zudeckend- und auf der Bühne das inzwischen bis zum Überdruss sterile, langweilige, lächerliche Treiben in der Forschungsanstalt Dr.Wotans, in den Regisseur Dmitri Tcherniakov den Göttervater uminterpretierte .Immer krasser klafft von Bluray zu Bluray der Abgrund zwischen der rauschhaften musikalischen Darbietung und der kalten Ödnis der Szene. Hatte man zunächst noch seine Neugier wegen der ständig wechselnden Schauplätze befriedigen können, so langweilt und verärgert nun zusätzlich ihre ständige Wiederkehr, wird die Kluft zwischen den Intentionen des Librettisten/Komponisten und den Erwartungen zumindest eines Teils der Zuschauer und der Realisierung auf der Bühne der Staatsoper immer tiefer.
Hatte man im Rheingold noch mit einer Mischung aus Neugier und Unmut die ständig wechselnden, aber nie zum Stück passenden, perfekt realisierten, aber im Kontrast zur Musik stehenden Schauplätze zur Kenntnisgenommen, in der Walküre sich allmählich Langeweile angesichts der immer wiederkehrenden Optik eingestellt, so verfällt man angesichts der ständigen Banalisierung in totale Resignation und wünscht sich anstelle der Bluray lieber eine die Illusion erhaltende CD. Wie gehabt ergeht sich die Regie in einer Mischung aus Läppischem wie dem Erwecken der Erda mit einer Tasse Kaffee oder dem im Jogginganzug die mit einer Alufolie bedeckten Brünnhilde erweckenden Siegfried, der er mal mit extrem karikierenden Operngesten, mal mit lässiger Schlappsigkeit seine Liebe erklärt. Ob er auch das gequälte Kind mit augenscheinlichem Migrationshintergrund auf dem Filmband, das zu den ersten Takten der Musik läuft, ist, sei dahingestellt.
Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Ring-Teilen mit fast genereller Superbesetzung stellt sich nun auch pures Tenorglück ein: Andreas Schager singt unermüdliche Schmiedelieder mit strahlender Höhe und substanzreicher Mittellage, so dass man fürchtet, er habe sich bereits damit verausgabt, kann aber immer wieder mit frappierender Durchschlagskraft und schier unermüdlichem Höhenglanz überraschen. Als Wanderer ist Michael Volle nun völlig vergreist und hinfällig und von Freia wohl nicht mehr mit Äpfeln bedacht, vokal hingegen eine Pracht von einem Bariton, der unermüdlich strömt und einen beachtlichen Kontrast zum körnigeren Stimmmaterial von Johannes Martin Kränzle bildet, dem es als Alberich optisch noch schlechter geht mit Rollator und Asthmaspray. Peter Rose singt einen imponierenden Fafner, der wohl nicht, wie oft üblich, verstärkt werden muss. Stephan Rügamer gibt einen darstellerisch fein ausgefeilten Mime mit hochpräsentem Charaktertenor. Victoria Randem ist nicht ein Waldvogel, sondern eine Krankenpflegerin mit Vogelmarionette, hat für diese einen betörend schönen Stimmklang, aber eine arg verwaschene Diktion. Anna Kissjudit wirkt als Erda etwas weniger präsent als im Rheingold, aber unverkennbar besitzt sie einen wunderbar samtigen, dunkel lodernden Alt. Anja Kampe sang als Debütantin alle drei Brünnhilden mit jeweils zwei Tagen Pause zwischen den einzelnen Teilen des Rings. Das ist eine heikle Aufgabe, die sie auch in dieser Aufnahme grandios bewältigt mit einem hell leuchtenden, exakt konturierten, bis in die höchsten Höhen einheitlich gefärbten Sopran schöner Farbe. Nicht leichter wird ihre und auch die Aufgabe anderer Sänger, wenn das musikalische Pathos, das emphatische Singen immer wieder von einer ironisierenden Darstellung konterkariert werden muss. Es wird einiger Mut dazu gehören, sich auch dem letzten Teil des Zyklus auszusetzen, der von allen der letzten Jahre derjenige sein dürfte, an dem Bühne und Musik am wenigsten miteinander zu tun hatten (Unitel 810304).
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Götterdämmerung – Brünnhilde kündigt. Was soll man noch sagen oder besser schreiben, was noch nicht gesagt/geschrieben worden ist nach dem vierten Abend von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen, von dem nun auch noch eine Bluray erschienen ist? Fortgesetzt wird in gnadenloser Konsequenz die Säkularisierung, man könnte auch sagen die Verhohnepiepelung sowohl von Werk wie von Publikum mit einem Rheingold ohne Rhein und Gold, einer Walküre ohne Wunschmaid, mit einem Siegfried, der eher ein Taugenichts ist als ein naiver Held, einer Götterdämmerung ohne Götter, die in Walhall verglühen. Nicht nur, dass das gesamte Werk aus der schillernden Vielfalt von Göttern, Riesen über Menschen bis zu den Schwarzalben eingeebnet wird mit der Wahl einer zweifelhaften, menschen-wie tierverachtenden Forschungsanstalt als einzigem Schauplatz, in der Natur, ob Wald oder Tierwelt, nur noch als Pappfigur existiert. So wie Wotan als Strafe für ihren Ungehorsam die Gottheit von Brünnhilde küsste, so prügelt Dmitri Tcherniakov den Mythos aus der Tetralogie, ersetzt sie nicht einmal durch eine reale Welt, sondern den Antimythos, eine entmenschte Menschenwelt. Niemand glaubt mehr an die Asen, den Mythos, aber die Musik beglaubigt ihn, und sie sollte respektiert werden. Nachdem in den Opernhäusern sämtliche Tabus gebrochen und dafür neue, bei ihrem Bruch noch strenger geahndete errichtet wurden, könnte man allmählich dazu zurückkehren, wenn nicht dem Text, so doch der Musik mehr zu vertrauen, nicht gegen sie zu inszenieren. Da setzt es schon etwas in Erstaunen, dass man, obwohl auch die vierte Bluray wieder Absonderlichkeiten wie den Trainingsraum eines Basketballteams, wohl die Werksmannschaft von E.S.C.H.E, offerierte, in dem der Mord an Siegfried, dem Hagen eine Fahnenstange in den Rücken stößt, stattfindet, übrigens mit „echtem“ Blut, Wotan und Erda noch einmal herumgeistern und die Nornen uralt und mit vielerlei Bresten behaftet sind. Brünnhilde und Siegfried haben Hundings bzw. Mimes Häuschen bezogen, Brünnhilde findet aus dem Bademantel zwischen Bett und Couch gar nicht mehr heraus. Komischerweise lädt man sich nicht mehr innerlich gegen diese Regiescherze aus, zum einen wohl, weil sie nicht an die Substanz der Handlung und der Charaktere gehen, zum anderen, weil die Musik einfach zu stark ist und weil ihre Realisierung unter Christian Thielemann jede Optik erträgt, sich zu unbändiger, unbesiegbarer Kraft entfaltet.
Überraschend taucht ganz zum Schluss, wenn Brünnhilde nicht den Scheiterhaufen besteigt, Hagen nicht im Rhein ertrinkt, weil er das Gold erhaschen will, ein Schriftzug auf mit einem Text Wagners, den er nicht vertont hat: „Von Wiedergeburt erlöst zieht nun die Wissende hin. Alles Ewigen seliges Ende, wiss’t ihr, wie ich‘s gewann? Trauernder Liebe tiefstes Leiden schloss die Augen mir auf, enden sah ich die Welt.“ Das heißt jedoch nicht, dass auch Brünnhilde endet, sie zieht mit einer Handtasche unter Zurücklassung von Siegfrieds Leichnam samt Grane-Plüschtier davon. Hat wohl einfach die Arbeit am Forschungsinstitut E.S.C.H.E satt.
Herausragend sind wieder die Leistungen der meisten Sänger. Gewiss kommt Anja Kampe streckenweise an ihre Grenzen, hatte manche schrille Höhe zu verantworten, aber auch die unbedingte Glaubwürdigkeit für die schwierige Partie, herrlich farbige Klänge in der Mittellage und immer ein Leuchten in der Sopranstimme, dazu atemberaubende Intervallsprünge in ebensolcher Sicherheit. Einen zarten lyrischen Sopran kann Mandy Fredrich für die Gutrune einsetzen und dazu die von der Regie wohl gewünschte Tussi-Optik. Violeta Urmana war einmal eine hochgeschätzte Wagner- und Verdisängerin, inzwischen erscheint die Stimme nicht mehr wie aus einem Guss, weist Brüche auf und klingt vergleichsweise fahl als Waltraute. Von den Nornen können besonders die tieferen Stimmen mit denen von Noa Beinart und Kristina Stanek gefallen, während das Vibrato von Anna Samuil als Dritte Norn doch etwas zu ausgeprägt ist. Wie ein vokales Frischebad wirken die Rheintöchter Evelin Novak, Natalia Skrycka und Anna Lapkovskaja.
Andreas Schager ist auch in dieser Aufnahme unermüdlich Kraftreserven hervorzaubernd ein unangestrengt und souverän wirkender Siegfried mit strahlendem Heldentenor, manchmal den Eindruck erweckend, er wolle unbedingt auf das bereits Vollkommene noch eins draufsetzen. Dazu ist er ohne Einschränkungen ein überaus jugendlicher übermütiger Draufgänger und dazu offensichtlich noch tänzerisch begabt. Für den schwachen, hier aber nicht durchweg unsympathischen Gunther setzt Lauri Vasar einen farbigen, geschmeidigen Bariton ein. Darf er deswegen überleben? Mika Kares ist auch als Hagen von umwerfender Basspotenz. Nein, Schiesser-Feinripp ist es wohl nicht, was Alberich als einziges Stück Textil trägt, dagegen hätte sich wohl die Firma erfolgreich gewehrt. Vokal kann Johannes Martin Kränzle beglaubigen, was bereits Lobendes über ihn gesagt wurde. Und Christian Thielemann am Dirigentenpult? Es ist einfach phantastisch, wozu die Staatskapelle unter ihm fähig ist, Siegfrieds Rheinfahrt ( zum Glück bei geschlossenem Vorhang) und der Trauermarsch müssen einem einfach die Tränen in die Augen treiben. Eine gebändigte Wucht sind die Mannen unter Martin Wright (Unitel 810504). Ingrid Wanja