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.Na, bitte, man kann als Regisseur eigene Ideen in eine Produktion einbringen, ohne ein Werk zu entstellen, eine Bühne kreieren, ohne in einem Waschsalon oder einer Autowerkstatt zu landen, Kostüme entwerfen, die nicht einer Kleiderkammer der Fünfziger des vergangenen Jahrhunderts zu entstammen scheinen und sogar auf Fluchtkoffer gänzlich verzichten, und man hat etwas geschaffen, das gleichermaßen Libretto und Musik wie dem Streben nach etwas noch nie Dagewesenem entspricht. Das alles gelungen ist Regisseurin Monique Wagemakers, deren liebevolle Aufmerksamkeit einfühlsamer Personenregie am Gran Teatre del Liceu von Barcelona sichtbar den drei Hauptpersonen von Verdis Rigoletto galt, denen sie eine amorphe Masse von Höflingen gegenüber stellt, aus der sich weder ein Marullo noch ein Borsa herausheben kann. Sehr einfühlsam herausgearbeitet ist von der Regie das Verhältnis Rigoletto-Gilda als ein nicht nur fürsorgliches, sondern auch einengendes und bedrückendes. Das Schaffen einer atmosphärisch dichten Optik gelingt auch Bühnenbildner Michael Levine mit einer denkbar kargen, aber ihre Funktionen erfüllenden Bühne, mal ein Rechteck, in dem die Höflinge kaserniert sind oder das sie umringen, mal eine steile Treppe, auf der Gilda ihr Caro nome jubiliert, die aber auch Spelunke, Mincio-Ufer und Gewitterchor miteinander verbinden kann. Die Kostüme von Sandy Powell schließlich belassen das Stück in der Renaissance und ermöglichen so das Eintauchen in eine weitere, die historische Dimension. Dem Regieteam, das sich mit ebenso viel Respekt für die Tradition wie Aufgeschlossenheit für neue Ideen dem Stück genähert hat, steht mit Riccardo Frizza ein Dirigent gegenüber, der bestens vertraut ist mit dem Werk Verdis und der gemeinsam mit dem Orchester des Liceu großzügige Phrasierung und mitreißendes Brio miteinander vereinen kann. Das trifft auch auf den Herrenchor unter Conxita Garcia zu.
Hervorragend ist der Rigoletto von Carlos Alvarez, und es liegt sicherlich nicht nur daran, dass er Spanier ist, wenn ihm der meiste Beifall des Hauses zu Teil wird. Kraftvolles Aufbegehren, genüssliches Ausholen zu einem „Cortigiani, vil razza dannata“, natürlich eine mitreißende Vendetta in generöser Phrasierung und Fermatenseligkeit sind ihm eine unangestrengte Selbstverständlichkeit, dazu kommt ein so ausdrucksstarkes wie differenzierendes Spiel. Die der Partie des Duca angemessene voce brillante hat der Tenor Javier Camarena, ideal für „Quest‘ o quella“ und „La donna è mobile“, federnd für Rezitativ und Cabaletta seiner großen Arie, am ehesten in „Parmi veder le lacrime“ lyrisches Potential vemissen lassend. Seit vielen Jahren ist Désirée Rancatore eine geschätzte Gilda, die optisch inzwischen etwas matronenhaft wirkt, deren Sopran aber höhensicher geblieben ist und „Caro nome“ mit zusätzlichen Verzierungen singen kann, dessen Mittellage jedoch eher gewelkt als gereift ist. Mit schlankem, dunklem und durchschlagskräftigem Bass singt Ante Jerkunica einen vorzüglichen Sparafucile, Ketevan Kemoklidze ist eine optisch wie akustisch verführerische Maddalena. Noch eindrucksvoller könnte man sich das Maledetto des Monterone von Gianfranco Montresor wünschen. Insgesamt ist dieser Rigoletto ein Gewinn auch für denjenigen, der bereits viele Aufnahmen des Werks besitzt (C-Major 763804). Ingrid Wanja