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I due Foscari ist Verdis sechste Oper, sie wurde 1844 in Rom uraufgeführt. In mancher Beziehung ist sie die „kleine Schwester“ seines 37 Jahre später entstandenen „Simon Boccanegra“, denn beide Opern behandeln das Schicksal eines Dogen. Bei den „Foscari“ ist es Francesco Foscari, der Doge von Venedig, dessen Sohn Jacopo unschuldig in die Verbannung geschickt wurde. Aus der kehrte er heimlich zurück, wird aber sofort erneut verurteilt. Das Flehen seiner Gattin Lucrezia bleibt fruchtlos, denn in dem Ankläger Loredano haben die Foscaris einen mächtigen Feind. Jacopo stirbt, bevor die Verbannung vollzogen wird. Und Loredano betreibt erfolgreich die Absetzung des Dogen Francesco, der völlig gebrochen tot zusammenbricht.
Man sollte dieses Frühwerk nicht unterschätzen. „I due Foscari“ bietet eine Fülle herrlichster Musik, in der große Duette eine ebenso breiten Raum einnehmen wie die eindrucksvollen Chorpassagen. Und Verdi arbeitet mit seinen thematischen Reminiszenzen mitunter fast leitmotivisch. Auch Carlo Bergonzi hat diese Oper offenbar sehr geschätzt und das von ihm gegründete Restaurant in Busseto „I due Foscari“ genannt.
Die vorliegende Aufnahme entstand 2022 bei den Opernfestspielen Heidenheim und überzeugt vor allem durch ihre musikalischen Qualitäten. Marcus Bosch am Pult der von ihm gegründeten Cappella Aquileia musiziert hier mit viel Impetus, mit großem Bogen und besonders mit viel Sinn für die Feinheiten der instrumentalen Details. Seine Interpretation ist von Gefühl und Spannung gleichermaßen getragen. Einen großen Anteil an dem positiven Eindruck hat auch der famose Tschechische Philharmonische Chor Brünn, der klangvoll und präzise singt.. Die Leistungen der Solisten bewegen sich durchweg auf hohem Niveau. Die Lucrezia verlangt eine Sängerin mit kraftvoller, aber auch koloraturfähiger Stimme. Beides seht Sophie Gordeladze zu Gebote. Mühelos überstrahlt sie Chor und Orchester. Darstellerisch kann sie den verzweifelten, hochemotionalen Kampf für ihren Mann Jacopo überzeugend verdeutlichen. Die Figur des Jacopo ist etwas eindimensional – eigentlich lamentiert er nur ständig über sein Schicksal oder nimmt Abschied von seiner Familie. Verdi hat dazu aber wunderschöne Arien und Duette geschrieben, die Héctor Sandoval mit sehr schöner Tenorfarbe und ansprechender Gestaltung auskostet. Francesco Foscari ist eine der vielen, berührenden Vaterfiguren Verdis. Der Konflikt, dass er wie ein Vater fühlt, aber wie ein Doge handeln muss, wird bei der sensiblen Gesangsleistung von Luca Grassi nachvollziehbar. Der Intrigant Loredano hat nur wenig zu singen, was man bei Robert Pomakov bedauern mag. Dafür ist er als diabolischer Strippenzieher omnipräsent. Musa Nkuna und Julia Rutigliano komplettieren als Barbarigo und Pisana das Ensemble.
Nicht ganz so viel Freude macht die szenische Seite. Regisseur Philipp Westerbarkei hat den Grundgedanken, dass Geld die Welt und insbesondere auch Venedig regiert, doch überzogen. Alle sind hier bestechlich – das Volk, der mächtige Rat der Zehn und auch Pisana, die eigentlich eine Vertraute von Lucrezia ist. Die lässt sich sogar auf ein Verhältnis mit Loredano ein. Scheine wechseln ständig den Besitzer, das Geld wird laufend aus Kübeln über die Bühne geschüttet. Das ist dann doch irgendwann zu viel des Guten. Der Chor und Loredano sind ständig präsent, auch bei den eigentlich intimeren Szenen. Jacopo wird mit einer Schlinge um den Hals hereingeführt, was nichts Gutes ahnen lässt. Warum Lucrezia mehrfach Kleider und Perücken wechselt, bleibt unklar. Ansonsten ist die Personenführung oft starr.
Die Bühne (von Tassilo Tesche) liegt weitgehend im Dunkel. Sie wird nur wenig variiert. Von Venedig ist nichts zu spüren, nur ein Holzsteg deutet auf die Anwesenheit von Wasser hin. Für Jacopos Verbannung wird ein gelbes Schlauchboot auf die Bühne gehievt. Störend ist die mitunter etwas unruhige Kameraführung. Insgesamt eine vor allem hörenswerte Aufführung. (Coviello Classics COV92314 Blu-Ray)
Wolfgang Denker