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Als Weltpremiere veröffentlicht DYNAMIC als Blu-ray Disc Nicola Porporas Serenata L’Angelica (57936). Die Aufnahme stammt vom Festival della Valle d’Itria in Martina Franca und wurde Ende Juli/Anfang August 2021 im Palazzo Ducale produziert. Gianluca Falaschi verantwortete die Produktion als Regisseur und Ausstatter, unterstützt vom Choreografen Mattia Agatiello.
Mit Federico Maria Sardelli steht ein Spezialist für Alte Musik am Pult des auf historischen Instrumenten musizierenden Ensembles La Lira di Orfeo. Das garantiert einen authentischen Klang, der schon in der Sinfonia zu vernehmen ist. Sie tönt zunächst gravitätisch und dann lebhaft. Leider wird sie vom Regisseur in Szene gesetzt – an einer festlich gedeckten Tafel nehmen die Personen der Handlung Platz und heben das Glas auf das Wohl aller Anwesenden. Hinter der Tafel, an der sich bis zum Schluss das Geschehen abspielt, befindet sich eine mattierte Glaswand, hinter der Tänzer in erotischen Szenen zu sehen sind. In Tiermasken agieren sie halbnackt später auch auf der Szene in sexuellen Spielarten aller Art.
Das Libretto von Pietro Metastasio erzählt die Geschichte von Angelica und Medoro, in die der Dichter Passagen aus dem Orlando furioso eingebunden hat, endend mit dessen Wahnsinnsszene. Zu diesen Charakteren gesellen sich noch der Schäfer Titiro, seine Tochter Licori und ihr Geliebter Tirsi.
Prominenteste Vertreterin der von Sängerinnen dominierten Besetzung ist die italienische Mezzosopranistin Teresa Iervolino – Festival erprobt in Salzburg und Pesaro – als Orlando. Mit dem Rezitativ „Pur ti raggiungero“ hat sie im roten Anzug einen fulminanten Auftritt mit einer Stimme von maskuliner Energie und starkem Nachdruck. Mir der folgenden Aria „Dal mio bel sol lontano“ kann sie die samtene Beschaffenheit ihrer Stimme besonders heraus stellen. „La bella mia nemica“ im zweiten Teil imponiert durch den resoluten Vortrag. Mit „Mi provera spietato“ hat sie dann auch ein (leider nur kurzes) Bravourstück. Ihr gehören zudem die beiden letzten Soli des Werkes: das erregte, konfuse „Da me che volete“ und – verbunden durch ein verwirrtes Rezitativ – das entrückte „Aurette, leggiere“, welches in seinen Stimmungen jäh umschlägt. Iervolino wird diesem differenzierten Anspruch imponierend gerecht. Ekaterina Bakanova ist die Titelheldin. Ihr fällt mit der Aria „Mentre rendo a te la vita“ das erste Solo des Werkes zu – ein getragenes Stück von reicher Empfindung. Sie singt es mit lyrischem, obertonreichem Sopran. Durch koketten Ausdruck fällt ihr „Costante e fedele“ auf. Mit „Quel cauto nocchiero“ hat sie im zweiten Teil eine virtuose Gleichnisarie vom bedrohten Steuermann, was die Tänzer mit Quallengebilden in den Händen illustrieren. Ihr folgt Paola Valentina Molinari als Medoro mit „La tortura innocente“. Es ist die erste Arie in der typisch virtuosen Manier Porporas und die Sängerin absolviert sie mit resolutem Sopran angemessen. Auch ihre nächste Aria, „Sopra il suo stelo“, fällt in diese Kategorie und wird gleichfalls überzeugend bewältigt. Den ersten Teil des Werkes beschließen Angelica und Medoro mit dem Duett „Se infida tu mi chiami“, in welchem sich die beiden Stimmen ausgewogen verbinden. Nach einer stürmischen Sinfonia, die den zweiten Teil einleitet, hat Medoro mit „Quell’umidetto ciglio“ auch dessen erstes Solo und kann mit tiefer Empfindung aufwarten.
Mit dem Bariton Sergio Foresti als Titiro findet sich in der übrigen Besetzung noch ein bekannter Name. In seiner Auftrittsarie „Folle chi sa sperar“ trumpft er mit reifer, gelegentlich auch dumpfer Stimme auf. Reicher Hörnerklang begleitet seine Aria „Non cerchi innamorati“, in welcher er mit starker Autorität aufwartet. Die Sopranistin Barbara Massaro ist seine Tirsi mit heller Stimme und die Mezzosopranistin Gala Petrone seine Tochter Licori. Ihr Auftritt mit dem verschatteten „Ombre amene“ ertönt gebührend verhalten, das „Se i rai del giorno“ im zweiten Teil klangreicher. Am Ende werden die Sänger in ihrem Mix aus Rokoko-Kostümen und moderner Alltagskleidung vom Publikum herzlich gefeiert. Bernd Hoppe