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Die französische Version des Verdischen Trovatore als Le trouvère ist ebenso selten wie kaum gespielt anzutreffen. Umso gespannter war die Erwartung und gewisse Enttäuschung als Die Verdi-Festspiele in Parma 2018 diese Oper vorstellten (davon mehr im nachstehenden Bericht von Rolf Fath). Dynamic hat dies Ereignis akustisch festgehalten. Aber serlöser Weise war dies – außer der antiken Aufnahme von 1912 unter Francois Ruhlmann – nicht die erste Aufführung der französischen Ausgabe von 1865. Die gab es bereits 1998 in Martina Franca unter Marco Guadarini, ebenfalls bei Dynamik veröffentlicht, noch riskanter als die in Parma 2018 muss man sagen. Dennoch – der enthaltene Artikel von Vincenzo Raffaele Segreto allein lohnt die Anschaffung wegen seiner „Aufdröselung“ der Umstände zur Komposition und der Darlegung der Unterschiede zur italienischen Version . G. H.
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Nun also Vincenzo Raffaele Segreto: «Gegen Ende 1854 lud mich die Leitung des Théâtre des Italiens während der Proben zu den Vespri an der Opéra ein, zu den Proben des Trovatore mit der Frezzolini, der Borghi-Mamo und dem Bariton Graziani zu kommen. Der Erfolg machte dem Direktor der Opéra Lust darauf, die Borghi-Mamo und Graziani für einen französisch gesungenen Trovatore zu verpflichten. Graziani konnte nicht engagiert werden, weil er anderswo Verpflichtungen hatte, aber die Borghi Mamo nahm an, nachdem sie ihre Aufführungen am Théâtre des Italiens beendet hatte, wo sie im Jahr darauf wieder Trovatore singen sollte. Die Vespri hatten – glaube ich – im Juni 1855 Premiere, und gleich darauf wandte man sich der Übersetzung des Trovatore zu. Damals tauchte Escudier mit der Pacini-Übersetzung auf. Ich fragte nicht nach dem Preis, machte kurzen Prozeß und sagte, ich würde Pacini 3000 fr. zahlen, wenn er sich neben der Übersetzung verpflichtete, die für die Opéra unvermeidlichen Ausbesserungen und Änderungen zu machen und mir seine Droits d’Auteur zu überlassen. Tags darauf oder ein paar Tage später sagte mir Escudier, Pacini nehme das Angebot an».
Mit diesem von Verdi 1891 an Giulio Ricordi gerichteten Schreiben gibt uns der Komponist selbst die gedrängte Beschreibung der Grundlagen, auf welchen die Entstehung des Trouvère beruhte. Wie immer erläutern uns Verdis Ton eines Kriegsberichts, seine legendäre Knappheit sofort, welche Fragen der Angelegenheit für ihn grundlegend waren, nämlich die für die Oper verpflichteten Künstler und ein zuverlässiger Librettist. Verbindungsstelle zwischen dem Trovatore und dem Trouvère war also der italienische ‘Troubadour’ des Théâtre des Italiens. Die Oper hatte 1854 am Stephanitag Premiere. «Ich habe Ihnen nichts vom Trovatore hier geschrieben; Sie wissen ja, wie die Dinge liefen. Ich persönlich weiß nur, daß es zehn Vorstellungen hintereinander gab (was nie vorkommt) und das Theater vor allem an den letzten vier Abenden gedrängt voll war […]», wie Verdi an De Sanctis schrieb.
Die Verhandlungen mit der Opéra über die neue Oper (in dieser äußerst kurzen Zusammenfassung ist der Trovatore am Théâtre des Italiens für uns abgeschlossen) laufen inzwischen mit dem neuen Direktor Crosnier schon sehr gut. Diese Revision wird, zumindest vom Honorar her, einfach als neue Oper angesehen. Verdi schrieb denn auch, daß «der Trovatore als Grand’Opéra angesehen und den ganzen Abend abdecken muß. Zu diesem Zweck werde ich 15 bis 20 Minuten Ballettmusik oder anderes etc., etc. hinzufügen».
Aber Verdi kümmerte sich nicht nur um sein Geld, denn er verlangte von Crosnier, daß «Sie mir die 40 Vorstellungen innerhalb von sechs Monaten sowohl für den Trovatore, als auch für die neue Oper zusichern, ohne daß Sie während dieser 40 Vorstellungen die Künstler der Premiere auswechseln können. Während meiner Proben werden weder neue Opern noch Ballette geprobt, aber darüber werden wir uns im persönlichen Gespräch einigen”.
Neben der Sorge um die Zahlungsbedingungen und -modalitäten sehen wir im Gleichschritt die Ansprüche an die Wahl der Besetzung. Dass Verdi auf die Besetzung seines Trovatore hielt und diese seine Unersättlichkeit vielleicht als Schild verwendete, um eventuell vor den dringlichen Anfragen der Opéra einen Fluchtweg zu haben, finden wir offensichtlich in seinem Brief vom 11. November 1855 an Ricordi dargelegt, als die Entscheidung und Machbarkeit des waren: «Ich würde die Übersetzung [des Trovatore] für die Provinzstädte machen, wenn sie das Werk spielen wollen. Die Opéra läßt keine Übersetzungen zu und erträgt sie nur, wenn es gar nicht anders geht: nun braucht sie eine […]. Andererseits wird der Trovatore an der Opéra immer unmöglich sein, weil ich ihn ohne zwei allererste Frauen, die man eigens verpflichten müsste, nicht erlaube. Der sicherste Beweis dafür, daß er nicht gegeben wird, ist, dass er in wenigen Tagen am Théâtre des Italiens gespielt wird».
Die Begebenheiten rund um diese Produktion gehen nun ihrem Ende entgegen. Im Herbst 1856 beginnen die Proben, die befriedigend ausfallen. Am 5. Januar des Jahres darauf erhält Verdi die 10.000 vereinbarten Francs, und am 12. fand dann die erfolgreiche Premiere statt. Die Hauptrollen sangen der Tenor Gueymard (Manrique), der Bariton Bonnehée (Comte de Luna), die Borghi Mamo (Azucena) und natürlich die Lauters (Léonore). Eine tags darauf in La France Musicale erschienene Rezension erzählt uns von der Vorstellung: «Die Partitur des Trouvère hat zahlreiche Änderungen erfahren. Der Maestro hat für die französische Oper fünf Stücke der Partitur neu instrumentiert, darunter das Duett im zweiten Akt zwischen M.me Borghi-Mamo und M. Gueynard [Azucena- Manrique], das gesamte Finale des zweiten Akts, die große Szene mit Chor von M.me Borghi-Mamo im ersten Bild des zweiten (sic!) Akts, den Soldatenchor im selben Akt. Außerdem fügte er eine reizende Melodie für M.me Borghi-Mamo im dritten Akt, ein Finale im vierten Akt und schließlich eine Ballettmusik von bewundernswerter Grazie und Zauber hinzu”. Ein knapper Bericht voller Komplimente, bei dem zum Ausgleich doch gesagt werden muß, daß die Zeitschrift das offizielle Sprachrohr von Verdis Pariser Verleger Escudier war.Projekts Trouvère in keiner Weise abgeschlossen
Für den Hörer kann eine kurze Übersicht mit dem Vergleich der wichtigsten Arien in den beiden Fassungen interessant sein: Ferrandos berühmte Erzählung Di due figli vivea padre beato wird zu De mon maître le père avait deux fils, während sich das melancholische Tacea la notte placida in La nuit calme et sereine verwandelt. Im zweiten Akt wird Azucenas Stride la vampa zu La flamme brille, während ihre Erzählung Condotta ell’era in ceppi zu C’est là qu’ils l’ont trainée wird, Il balen del suo sorriso beim “französischen” Comte de Luna zu Son regard, son doux sourire. Im dritten Akt verwandelt sich der Chor Squilli, echeggi in Que la trompette, das ekstatische Ah sì, ben mio Manricos in Oh toi! Mon seul espoir und das darauffolgende, berühmte Di quella pira zu Supplice infame. Der Vergleich der beiden Fassungen im schwindelerregenden vierten Akt ist unmöglich. Wie nennen nur Azucenas wehmütige, herzzerreißende Erinnerung Ai nostri monti, die nun O, ma patrie heißt, und ihren sprichwörtlicher Ausruf am Schluß: Mort! Il est mort? Eh! bien… C’était ton frère. Le ciel a vengé ma mère.
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Wie vielleicht viele bereits wissen, wurde gemäß der klassischen Tradition der Opéra im dritten Akt ein Ballett eingefügt. Le Trouvère macht darin keine Ausnahme. In seiner französischen Fassung des Werks läßt Verdi den Chor nach seinem berühmten Squilli, echeggi nicht abtreten. Die Soldaten bleiben auf der Bühne und sehen dem darauffolgenden Ballett zu, an dem sie teilweise auch teilnehmen. Es handelt sich um das dritte von Verdi für die Opéra geschriebene Ballett nach denen für die Vêpres und Jérusalem. Es besteht aus zwölf, in vier Suites unterteilten Abschnitten. Dieses Ballett ist zusammen mit dem neuen Finale, wie wir später sehen werden, sicherlich die bedeutendste Neuheit des neuen Trouvère.
Viele der Änderungen betreffen vor allem Details in der Orchestrierung, die bei zerstreutem oder oberflächlichem Hören auch gar nicht bemerkt werden könnten. Diese Verbesserungen sind hingegen als Zeugnis dafür, wie ernst Verdi diese Überarbeitung genommen hat, besonders wichtig, wollte er doch vor allem seine Orchesterfarben raffinierter gestalten, weil er sich an ein Publikum wandte, dass an diese Details mehr gewöhnt war als das italienische. Sind einige so subtil, dass sie “fast” nicht merkbar sind, haben andere hingegen entschieden dramatischen und nicht nur musikalischen Wert, wie beispielsweise beim Finale des 2. Akts, wo das Orchester nun in den Dialog zwischen den Figuren (der Jubel Léonores, der Zorn Manriques und des Comte) mit einer Prägnanz eingreift, die es zu einer vierten Figur macht.
Aber die radikalste Änderung, die in dieser Überarbeitung unserer Ansicht nach wichtigste, ist sicherlich die hinsichtlich des neuen Finales. Was geschieht nun an diesem Schluss, der einer der sprichwörtlichsten der gesamten Opernliteratur ist? Die beiden Hauptthemen der Geschichte sind die Liebe zwischen Manrico und Leonora, die ewige unglückliche Liebe zwischen Sopran und Tenor (fast) aller Opernlibretti, und Azucenas Wunsch nach Rache, was hingegen für die damalige Operndramaturgie wirklich ein neues Element ist. Leonora ist soeben gestorben, und schon fällt das Beil des Henkers über Manrico nieder. Wie viele Kommentatoren richtig bemerken, liegt der Höhepunkt der Oper vom Musikalischen her für Verdi in Leonoras Tod. Ihre dramatische Auflösung, das heißt, Manricos Verurteilung, wird musikalisch nicht ebenso bedeutsam unterstrichen. Davon geht ihr knapper dramatisch- musikalischer Druck aus, der auf nichts achtet, um atemlos dem so dramatischen Ausruf Azucenas entgegenzueilen: Sei vendicata, o madre! Also kein “Fehler”, sondern eine überlegte Entscheidung. Im neuen Finale folgt Léonores Tod eine Wiederaufnahme des Acapella-Chors aus dem Miserere, das zu einem kurzen Duett auf Distanz zwischen Manrique und Azucena führt, welches musikalisch Themen folgt, die zuvor von Léonore und Manrique zu hören waren. Auf dem Höhepunkt eines Orchestercrescendos schleppt der Comte unter dem Wirbeln einer Militärtrommel Azucena buchstäblich zum Anblick der Hinrichtung des Troubadours.
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Julian Buddens Urteil ist entschieden («ein musikalischer Flicken») und unterstellt sogar, daß dieser Schluß von jemandem anderen als Verdi sein könnte. Obwohl er ihm den Wert einer musikalischen und dramaturgischen Verbesserung abspricht, sagt Budden, daß «der Grund für die Hinzufügung dieser Koda ein zweifacher sein könnte: die Erreichung eines plausiblen Zeitraums für Manricos Enthauptung wie in Cammaranos ursprünglichem Libretto und eine stärkere Präsenz für die Azucena der Borghi-Mamo.
Zum Glück ist es diesem Finale nie gelungen, sich in die späteren Wiederauflagen der italienischen Fassung zu schmuggeln. Der Großteil des Publikums zieht weiterhin das uns bekannte Finale vor, und wenn es noch so überstürzt ist». Auch David Rosen stellt fest, daß wir «alles in allem schlußendlich Il Trovatore vor Le Trouvère den Vorzug geben müssen».
Aber alles in allem, und nachdem wir beide Fassungen gehört haben. Und darin und deshalb findet die Möglichkeit, heute diese französische Fassung in ihrer Gesamtheit zu hören, ihren Charakter der Neuheit, der Bedeutung und Faszination für Publikum und Wissenschaftler. Denn über die Fragen von Philologie und Musikkritik hinaus ist die Möglichkeit, dieses Meisterwerk in seiner französischen Fassung zu hören, zu interessant, um sich die Gelegenheit entgehen zu lassen, diesen Vergleich zu genießen, in der Sicherheit, daß die Unterschiede, die Verbesserungen und – warum nicht – eventuellen Verschlechterungen vor allem ein Mittel sind, um es besser kennen und schätzen zu lernen. Vincenzo Raffaele Segreto/Überserzung Daniela Pilartz
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Und nun Rolf Faths Einschätzung des Erlebten: Nach Peter Greenaway und Graham Vick darf Robert Wilson sich als dritter des in diesem Jahr anscheinend zum letzten Mal beim Verdi-Festival 2018 genutzten 400 Jahre alten, von Aleotti gestalteten Raums bemächtigen: Le Trouvère firmiert als Koproduktion mit Bologna, wo Wilson bereits 2013 Macbeth inszenierte, was die konventionelle Raumaufteilung erklärt. Wo seine Vorgänger den riesigen Turniersaal mit seinen in U-Form ansteigenden Sitzreihen, den Holzsäulen und stuckierten Dekorationen für besondere Raumsituationen nutzten, stellt Wilson eine kleine Kastenbühne zwischen die Portalsäulen, davor in das Arenaoval die Zuschauerreihen.
Zuerst ist das Licht. Im scharfen hell-dunkel Gegensatz schneidet er einmal mehr Figuren und Situationen an, bietet Gesten und Tableaux, die die Situationen zu konterkarieren scheinen, und offenbart im Vergleich zu seinen sparsamen Arbeiten früherer Jahre geradezu eine Fülle an Verweisen. Neben dem älteren Herrn treten eine junge Frau mit zwei kleinen Mädchen und eine Alte mit Kinderwagen auf, in Kostümen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wie auf der alten Fotografie, die Wilson während Fernands Erzählung auf wundersame Weise animiert. Später blinzeln Meeresfotografien des amerikanischen Fotografen Robert Rosenkran auf. Wilson bebildert nicht die verschlungene Handlung um die beiden Brüder, die eine Frau lieben, sowie den zwischen Mutter und Geliebter schwankenden Manrique, malt keine Geschichte aus uralten Zeiten, dennoch besitzt sein sein Trouvère mit den dunklen Toreros, den wie aus einem Andersen-Bilderbuch aufmarschierenden Soldaten, den langen Fräcken, Schulterpolstern und Zweispitzen, den Zöpfen für die Herren, einen Hauch von 1800. Selbstverständlich schwarz zeitlos, wie das minimalistische, chinesisch-japanischen Traditionen angeschaute ritualisierte Spiel, die abgestreckten Hände wie von mittelalterlichen Gemälden. Léonore schwebt wie eine auf Wasser gleitende Figur über die Bühne. Die zeitlupenhaften, streng gestanzten Bewegungen schmiegen sich diesem lyrischen, weniger dramatischen Trouvère an, den Verdi auf Wunsch der Pariser Direktion zunächst widerstrebend als französische Oper mit dem Text des Émilien Pacini, dem Sohn von Antonio Pacini, einrichtete. Le trouvère erklang in dieser Form erstmals im Januar 1857 in der Salle Peletier. Parma stellte nun erstmals die kritische Edition von David Lawton vor. Auch wenn Verdis etwa zwei Dutzend Änderungen, bestehend aus einer Vielzahl von modifizierten Passagen, weggefallenen Takten und Übermalungen, marginal erscheinen, zeigt sich Le trouvère als französische Oper, weniger dringlich und leidenschaftlich, etwas länglich wegen des aus vielen mehr oder weniger spanischen Nummern – inklusive einer Zitat des „Ambosschores“ – bestehenden, rund 25minütigen Balletts im dritten Akt.
Diesem bei der Uraufführung von Lucien Petipa, dem Bruder des berühmteren Marius, choreographierte sinnfreiem Einschub mit tanzenden Zigeuner und Soldaten vor der Ergreifung Azucenas unterlegt Wilson einen ebenso sinnfreien Aufmarsch von Boxern, wie aus frühen Filmschnipseln, die im Quadrat laufen, gegeneinander kämpfen, sich verknoten, walzende Paare bilden. Verändert bzw. gekürzt sind Léonores Kadenzen bzw. die D’amor sull` ali rosee- Cabaletta, neu und wesentlich ist vor allem die Wiederholung des Miserere während Manrique zum Scheiterhaufen geführt wird. Seine letzten Worte gelten der Mutter.
Roberto Abbado unterstreicht den lyrisch sublimen Zug des umgearbeiteten Trouvère, gestaltet mit dem Orchestra del Teatro Comunale di Bologna zarte Situationen, die von den Sängern eine weichere, geschmeidigere Tongebung verlangen. Im Teatro Farnese waren die akustischen Bedingungen nicht die besten. Vor allem der albanische Tenor Giuseppe Gipali wirkte wie durch die verkehrte Seite eins Opernglases wahrgenommen, klanglich schmächtig, zwar hübsch im Tonansatz und im Aufbau der Phrasen, doch schnell gestresst und uneins mit dem Orchester, unbedeutend und fehl am Platz. Ausgezeichnet der gut sitzende, ebenmäßig timbrierte Bariton des nicht nur in „Son regard, son doux sourire“ mit fester Linie singenden Franco Vassallo, dessen Französisch zudem einigermaßen idiomatisch klang, auch die geschmackvoll rassige Königin der Nacht-Azucena der Georgierin Nino Surguladze mit enormer Höhe und stabiler Tiefe. Nicht ganz auf dem Niveau der klanglich zwar ausgewogene, schöne Sopran der jungen Roberta Mantegna, die als Léonore durch einige kaum erträglich schrille Verzierungen irritierte. Marco Spotti eröffnete als felsenfest sicherer, nicht unbedingt profund-dunkler Fernand den gespenstischen Bilder-Reigen (Dynamic DVD Bluray 37835). Rolf Fath/ Oktober 2018
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„Sung in French“: steht auf dem Cover der DVD. Vielleicht doch noch ein Wort zur rein akustischen Seite dieses Mitschnittes, wie sie die CD (Dynamic 2 CD CDS 7835.02) bietet. Vieles glättet ja die Optik, und das Auge korrigiert manches, dass das Ohr nicht verzeiht. So auch hier. Erstens kann ich einfach nicht dieses italienische Französisch ertragen, das mit venschanze und pendanze doch den Sprachkundigen und Liebhaber der französischen Oper hart auf die Probe stellt. Das mag bei alten RAI-Aufnahmen sicher noch als passabel gewesen sein, aber man kann von modernen Sängern verlangen, dass sie doch mehr in die fremde Idiomatik eintauchen, auch wenn Italiener und Latinos notorisch Schwierigkeiten mit der Artikulation von Fremdsprachen haben. Ich muss gestehen, dass ich von Nino Machaidze (keine Italienerin, gewiss) fast nichts verstanden habe, von ihrer überforderten Kollegin Roberta Mantegna aber auch nichts (mal abgesehen vom Organ selbst). Tonia Langella gab es auch noch, silence pour elle. Die Herren sind da etwas glücklicher dran, aber der für mich ordinäre Bariton von Franco Vasallo (pardon cher Rolf) bölkt sich durch einen Crash-Kurs von Berlitz, singt – für meinen Geschmack – sehr allgemein und steht im dunklen Schlag-Schatten vieler Kollegen, die dies in seiner eigenen Heimat viel (!!!) besser gesungen haben. Da hat ja selbst Leo Nucci auf seine alten Tage mehr Kultur. Von Marco Spottis Französisch will ich nicht berichten, von seinem Fernand auch nicht … Aber auch der Tenor Giuseppe Gipali – sprachlich der Beste – könnte eine idiomatisch-verbale Auffrischung brauchen. Roberto Abbado dirigiert eine italienische Oper costumée á la francaise, dagegen ist ja im italienischen Parma auch nichts zu sagen. Nur ist eben Parma nicht Grosseto.
Habenswert ist diese für mich mehr als unbefriedigende Aufnahme wegen der Fassung! Es gibt auf CD den noch fragwürdigenden Mitschnitt aus Martina Franca 1998 (ein Koreaner, eine Georgierin, reichlich Osteuropa, aber zumindest mit Sylvie Brunet als fabelhafter Azucena groß besetzt bei ebenfalls Dynamic) und eben keine verbindliche Einspielung der französischen Version (außer der für moderne Ohren kaum hörbaren ersten Pathé-Einspielung von 1912 unter Ruhlman und einer rabiat gekürzten 120-Minuten-Radio-Fassung vom französischen Rundfunk/ INA 1954 mit Moizan und Scharley), während Parma das Ganze zwar mutig, aber mit ähnlichem Resultat schon einmal 1990 mit Giron-May, Longhi und anderen gab. Man hatte eben noch die Noten im Keller. Ach, Roberto (Alagna), warum haben Sie´s nicht zu goldenen EMI-Zeiten aufgenommen und stattdessen den üblichen Verdi gestemmt?
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Habenswert sind zudem der lesenswerte Beitrag im Booklet von Vincenzo Raffaele Segreto (aus der Martina-Franca-Aufnahme; den wir hier mit Dank übernommen haben) und das zweisprachige Libretto. Das sollte Dynamic ins Netz stellen. Dann kann man sich überlegen, ob man die CD-Ausgabe machen möchte. In unseren Zeiten, wo sich sogar Stadttheaterkräfte um die originalsprachige Jenufa mühen müssen, hätte ich von einem Verdi-Festival dieses Ranges mehr sprachliche Sorgfalt (einer geeigneteren Besetzung) erwartet. Und ganz ehrlich – nicht alles muss veröffentlicht werden… G. H.
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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.