In der alten Giorgio-Strehler-Inszenierung an der Scala hatte Diana Damrau noch die Susanna gesungen, nun war sie 2016 am gleichen Haus die Contessa in der Produktion von Le Nozze di Figaro, die Frederic Wake-Walker zu verantworten hat. Auch die italienischen Opernbühnen haben sich inzwischen modernen Regietrends geöffnet, gehen aber meistens nicht so weit, gesellschaftskritische Botschaften zu verkünden oder (und) Piefke-Milieus zu bevorzugen. Stattdessen versucht man ästhetisch noch einen draufzusetzen, welche Aufgabe hier einige modelmäßige Damen in engen schwarzen Kostümen, mit hochgetürmten Frisuren und affektiert stöckelndem Gang erfüllen. Sie „helfen“ auch bei der Einrichtung des Zimmers für Figaro und Susanna, und die beiden Bauernmädchen im Hochzeitsbild sind hier zwei zu drag queens aufgetakelte Riesendamen in knappen Spitzenhöschen. Bühnen- und Kostümbildner Anthony McDonald sorgt dann andererseits im letzten Bild für Ernüchterung, wenn es den Park nur als Hintergrundprospekt gibt und sich die Paare nicht in Pavillons, sondern hinter Bürostühlen verstecken. Insgesamt meint man eher einer harmlosen italienischen Farsa beizuwohnen als einem doch für seine Zeit sehr brisanten Stück. Zu diesem Eindruck trägt auch der häufige und unbegründete Farbwechsel in der Lichtregie von Fabiana Piccioli bei.
Diana Damrau kann sich auch in dieser Produktion die Rolle des Publikumslieblings ersingen und erspielen, wie Szenen- und Schlussapplaus beweisen. Sie sieht auch in den irrwitzigsten Kostümen phantastisch aus und singt ihre beiden Arien mit feiner Empfindung, vielleicht nicht mit ganz so viel Wärme in der Sopranstimme wie berühmte Vorgängerinnen. Sowohl optisch wie stimmlich dem Conte bereits entwachsen ist Carlos Alvarez, der wenig Aristokrat und zu deftig und grobkörnig, auch was den Gesang betrifft, ist. Dass er im „Park“ gleich in Unterhose erscheint, macht ihn nicht liebenswürdiger. Ein munterer, wendiger Bursche ist der Figaro von Markus Werba, der zudem stilistisch keine Wünsche übrig lässt und dessen Diktion einfach vorbildlich ist. Ihre „Rosenarie“ im (herabgelassenen) Kronleuchter singen muss die Susanna von Golda Schultz, sie tut es mit feiner, zarter Sopranstimme und zeigt im Spiel viel quirligen Charme. Prägnanter wünscht man sich den Basilio von Kresimir Spicer, der seine Arie singen darf, was leider der Marcellina von Anna Maria Chiuri nicht vergönnt ist, die eine köstliche Studie im Wandel von giftender alter Jungfer zur liebenden Mutter abliefert. Andrea Concetti singt die Vendetta-Arie des Bartolo mit schöner Sonorität, Theresa Zisser bleibt etwas fad als Barbarina. Die Straße zu einer großen Karriere hat inzwischen Marianne Crebassa eingeschlagen, die auch hier als Cherubino, leider zur Karikatur geschminkt, ihre beiden Arien wunderbar facettenreich singt und sich mit der Damrau die Krone der Beliebtheit teilen darf. Franz Welser-Möst versteht sich mit den Professori im Orchestergraben bestens, und aus ihrem Einvernehmen entsteht ein wunderschöner Klangteppich, auf dem sich die Sängerstimmen wohlfühlen können (DVD C-major 743108). Ingrid Wanja