.
Nach ihrer CD-Einspielung bei Erato im September 2021 verkörperte Joyce DiDonato die Rolle der Irene in Händels Theodora auch in einer szenischen Produktion des Oratoriums am Royal Opera House Covent Garden im Februar 2022. OPUS ARTE hat die Aufführung mitgeschnitten und auf einer Blu-ray Disc herausgebracht (OABD7313D). Regisseurin Katie Mitchell hat das Geschehen um die standhafte Christin Theodora im Römischen Reich ganz in die Gegenwart verlegt. Hier ist sie Angestellte in der Römischen Botschaft mit dessen Führer Valens, plant, diese zu zerstören. Schauplatz (Chloe Lamford) ist eine modern eingerichtete Küche, wo Theodora und Irene in roten Schürzen (Sussie Juhlin-Wallén) den Boden wischen und andere Arbeiten im Haushalt verrichten. Die Arbeit ist ein exemplarisches Beispiel für die zahlreichen Profanierungsversuche heutiger Regisseure. Gyula Orendt, eigentlich nicht auf Alte Musik spezialisiert, singt den Botschafter mit robuster, fast brutaler Tongebung. Während seines Airs „Racks, gibbets, sword and fire“ vergnügt er sich auf dem Tisch mit einer Angestellten – eine der vielen geschmacklosen Szenen in dieser Inszenierung. Auch bei seinem Air in Part II, „Wide spread his name“, rekeln sich leichte Mädchen in körperlichen Verrenkungen auf der langen Tafel. Stimmlich kann Jakub Józef Orlinski als Römer Didymus, der Theodora liebt, danach einen Kontrast schaffen mit seiner lieblichen Eingangsarie „The raptured soul“, auch wenn sein Counter oft einen jaulenden Beiklang aufweist. Am besten gelingt ihm das liebliche „Sweet rose and lily“ in Part II. Sein Freund, der römische Offizier Septimius, ist der Tenor Ed Lyon mit angenehm weicher Tongebung und stilistisch ganz der Tradition britischer Oratoriensänger verpflichtet. Die Titelrolleninterpretin Julia Bullock muss bis zur 3. Szene auf ihren Einsatz warten, kann dann aber bei „Fond, flatt’ring world, adieu“ mit obertonreichem Sopran von schöner Fülle rundum überzeugen. Berührend ist ihr Solo „The pilgrim’s home“ im 2. Teil. Das folgende Duet mit Didymus, „To thee“, bei dem sie ihre Kleidung tauschen, um Theodora die Flucht zu ermöglichen, und Didymus nun wie ein Transvestit im Fummel mit blonder Perücke daherkommt, lässt eine perfekte Verblendung beider Stimmen hören.
Joyce DiDonato wiederholt ihre Glanzleistung als Irene auf der Erato-Aufnahme und imponiert hier noch mit einer szenischen Darstellung von faszinierender Präsenz und packender Intensität. Gelegentlich, so gleich in ihrem ersten Air, „Bane of virtue“, riskiert sie auch derbe Akzente in Verismo-Nähe. Während Irenes Nummer baut Theodora an ihrer Bombe, unterstützt von den anderen Frauen. Irenes zweites Air, das gefühlsstarke „As with rosy steps the morn“, welches DiDonato betörend vorträgt, wird gestört durch Botschaftsangestellte, die die Frauen mit Pistolen bedrohen und fesseln. Darunter ist auch Septimius, der im an Koloraturen reichen „Dread the fruits“ vehement auftrumpft und den zwiespältigen Charakter der Figur deutlich umreißt. Von ihm und den Sicherheitsleuten werden Theodora und Irene in einem Nebenraum erniedrigenden körperlichen Prozeduren ausgesetzt. Im zweiten Teil, der in ein Bordell mit roten Wänden und Table dance führt, tritt Theodora im silbernen Glitzerfummel und hellblonder Perücke auf, nun zur Prostituierten degradiert. Bedrängt von Septimius und gar in ein rotes Bett gedrängt, singt sie mit fiebriger Erregung „Oh, that I on wings could rise“.
Es musiziert das Orchestra of the Royal Opera House, also kein Originalklang-Ensemble. Aber mit Harry Bicket steht immerhin ein Spezialist für Barockmusik am Pult. Schon in der Overture setzt er markante Akzente mit flüssigem, Tempo betontem Spiel. Später trägt er die Sänger mit Verständnis und großem Einfühlungsvermögen, ohne dass sein Dirigat als reine Begleitung abzustempeln wäre.
Der Royal Opera Chorus (William Spaulding) singt engagiert und klangvoll, beschließt Part I mit dem feierlichen „Go, gen’rous, pious youth“, bei dem Didymus von Irene getauft wird. Am Ende von Part II singt er den Chorus „He saw the lovely youth“, welchen der Komponist selbst noch über sein „Halleluja“ stellte. Und auch die letzte Nummer fällt dem Chor zu: „O love divine“ – zur erhabenen Musik sind der Schauplatz eines Schlachthofes mit aufgehängten Schweinehälften sowie die Bilder von Blut und Pistolen herbe Kontraste. Bernd Hoppe