Barockes aus Berlin

 

Liebhaber der Barockmusik sehen der alljährlichen Alte-Musik-Produktion der Berliner Staatsoper stets mit Spannung entgegen. Die Staatskapelle unter Daniel Barenboim ist dann unterwegs auf Tournee – im Graben steht zumeist  René Jacobs am Pult eines Spezialensembles. Im Januar 2017 war es die Akademie für Alte Musik Berlin, mit welcher der Dirigent Purcells Dramatick opera King Arthur im Schiller Theater zum Leben erweckte und dabei wahre Wunder an Klangpracht, rhythmischer Verve und majestätischem Bläserglanz zauberte. NAXOS hat die Aufführungen vom 19. und 21. 1. 2017 aufgezeichnet und auf DVD herausgebracht, bietet damit Gelegenheit, die musikalisch hochrangige Produktion nachzuhören (2.110658).

Denn auch die Sängerbesetzung lässt kaum Wünsche offen. Dominiert wird sie von den beiden Sopranen: Anett Fritsch überzeugt bei ihrem Staatsopern-Debüt mit klarem und jubilierendem Sopran. Höhepunkt ihres Vortrages ist das mit leuchtender Stimme gebotene Air „Fairest Isle“. In mehreren Rollen – als Philidel, Shepherdess, Siren, Nymph, Venus und geflügelter Cupido – überzeugt sie zudem mit ihrer darstellerischen Vielseitigkeit. Auch Robin Johannsen interpretiert mehrere Partien (She, Shepherdess, Siren, Nymph, Honour, Priest) und gefällt mit lieblichem Ton und Koloraturbrillanz. Ihr fällt das wunderbare Duett „You say, ’tis love“ im 3. Akt zu, bei dem sich ihr Sopran und der Altus von Benno Schachtner in harmonischem Zusammenklang vereinen. Der Tenor Mark Milhofer lässt einen besonders schönen Ton hören, während Stephan Rügamer seine stilistische Vielseitigkeit beweist. Noch mehr klanglich-charakteristische Prägnanz, einen noch frostigeren, klirrenderen Ton (so wie ihn das Orchester vorgibt) hätte man sich von Johannes Weisser als The Cold Genius bei seiner Frost Scene gewünscht. Stupende Wirkung hinterlässt der Staatsopernchor (Einstudierung:) im sich anschließenden Chorus of the frozen ones  („See, see, we assemble“), dessen klangmalerische Interpretation wahrlich frösteln macht.

Dem Stück mit seinen mehreren Handlungssträngen – dem Kampf der christlichen Briten gegen die heidnischen Sachsen, dem feindlichen Konflikt der beiden Könige Arthur und Oswald um die Gunst der schönen Emmeline sowie  dem Machtanspruch der auf unterschiedlichen Seiten stehenden Zauberer Merlin und Osmond – fügen die Regisseure Sven-Eric Bechtolf und Julian Crouch noch eine Rahmenstory hinzu, die im 2. Weltkrieg spielt und einen achtjährigen Jungen mit Namen Arthur, dessen Vater gefallen ist, ins Zentrum rückt. Crouch erdachte dafür ein phantasievolles Bühnenbild, das zwischen einem englischen Salon mit gestreifter Tapete, Hintergrundprojektionen (Joshua Higgason) mit zerstörten Städten und vorüber ziehenden Landschaften, einem Zauberwald aus Soffitten und in barocker Theatermanier erzeugten Meereswellen wechselt. Die Szene ist bevölkert mit von Kevin Pollard liebevoll und einfallsreich kostümierten Puppen, Sirenen, Nymphen, Krankenschwestern, betrunkenen Landleuten, Invaliden in Rollstühlen sowie Erd- und Luftgeistern. Am Ende sieht man wie in der ersten Szene noch einmal das Flugzeug, in das der junge Arthur steigt, um gleich seinem Vater in den Krieg zu ziehen, von mit Fähnchen winkenden Landsleuten verabschiedet und von seiner Mutter als  Filmstar in weißer Seidenrobe glorifiziert.

All das ist von hohem Schauwert, aber der Abend ist lang, was vor allem den Schauspielszenen, die im Gegensatz zu den englisch vorgetragenen Gesangsnummern in deutscher Sprache geboten werden, anzulasten ist. Zu ausgedehnt sind diese Dialoge, angefüllt von modischen Schlagwörtern und Banalitäten. Jacobs untermalt mit dem Orchester die gesprochenen Passagen oft mit Instrumentalsätzen aus der Feder Purcells oder Akkorden von John Dowland, was zuweilen eine einlullende Wirkung erzeugt und die Textverständlichkeit der Schauspieler mindert. Musik und Sprache stehen bei dieser Produktion im Missverhältnis (Weitere Information zu den CDs/DVDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei www.naxosdirekt.de.). Bernd Hoppe