Auf in bessere Zeiten….

 

Das gibt es fast nur noch im unbeirrbar optimistischen Amerika: Der neue Herrscher Malcolm ist ein gütiger, der nicht die Terrorherrschaft Macbeth’s fortsetzt, sondern sogar den noch immer traurig sein Familienfoto betrachtenden Macduff in den allgemeinen Freudentaumel mit einbezieht. Gar nicht stört es, dass Regisseur Adrian Noble von Bühne- und Kostümbildner Mark Thompson für Verdis Macbeth die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hat auf die Bühne zaubern lassen mit Hexen im spießigen Hausfrauenlook mit Söckchen und Handtäschchen, wobei erstaunlicherweise der Hexennachwuchs mit seinen Häubchen weiter in die Vergangenheit zurückweist. Auch beeinträchtigt es den Kunstgenuss nicht, wenn zwar mit Pistolen und schwererem Kaliber herumgefuchtelt wird, der finale Tötungsschnitt oder -stich aber wie im Libretto vorgesehen ein solcher bleibt. Die schottischen Soldaten laufen in einer Art Partisanenlook über die Bühne der MET, grüne Fahnen, die im Siegesrausch geschwenkt werden, erinnern eher an orientalische Gegenwart als an ein Schottland welcher Zeit auch immer. Die Geistererscheinungen zeigen sich in riesigen Seifenblasen oder in Weihnachtskugeln Ähnlichem. Stilistische Einheitlichkeit ist nicht die Stärke der Optik, die aber durchaus zu fesseln und die angemessene düster-unheilvolle Atmosphäre zu kreieren weiß.
Dabei hilft natürlich ganz entscheidend die musikalische Seite, für die im Orchestergraben Fabio Luisi verantwortlich ist, der schon einmal überaus kontrastreich beginnt, was Tempi und Lautstärke betrifft, und sich durch ein durchweg spannungsvolles Dirigat auszeichnet. Die Solisten gehören zu den besten, die ein Opernhaus momentan aufbieten kann. Zwar wirkt Zeljko Lucic etwas zu knubbelig und in sich ruhend für den in sich zerrissenen Macbeth, und die machtvolle dunkle Stimme hat ihre großen Momente eher in den Fortepassagen der Partie, aber insgesamt kann er mit seiner Rollengestaltung für sich einnehmen, besitzt eine sichere Höhe und den verzweifelten Aplomb für die Schlussszene. Anna Netrebko erinnert mit der blonden Löwenmahne an eine Hollywood-Diva der Fünfziger oder Sechziger, was die Darstellung einer überzeugenden Lady nicht leichter macht. Streckenweise wirkt sie zu gutmütig und naiv, einige Gesten zu angelernt, als unmittelbar der Gestaltung entspringend, so dass man in ihr nur stellenweise die Bühnenfigur, manchmal aber den verfremdeten Opernstar Netrebko wahrnimmt. Die sehr dunkel gewordene Stimme dagegen passt hervorragend zur Partie, besonders wenn sie auffahrend und schneidend eingesetzt wird. Die Mittellage ist so präsent wie die Höhe, sie schont sich nie, auch da nicht, wo andere Ladies in den Ensembles gern der Dama den Vortritt lassen. Obwohl die Stimme schwer geworden ist, gelingt ihr das koloraturreiche Brindisì, schweben die letzten Töne der Nachtwandlerszene wunderschön. Hoch kultiviert, ebenmäßig und wundervoll strömend setzt René Pape seinen Bass für den Banquo ein. Joseph Calleja ist eine Luxusbesetzung für den Macduff, dessen Arie er so schön wie sichtbar und hörbar innerlich beteiligt singt. Laudia Waite bereichert als Dama die Ensembles, James Courtney als Medico das Nachtwandeln.  Ein Sonderlob gebührt dem Chor (Donald Palumbo), der „Patria oppressa“ zum Weinen ergreifend schön singt und den Finali das kraftvoll Aufgewühlte verleiht (Blu-ray DG 073 5234). Ingrid Wanja