Sehens-, hörens- und bedenkenswert

 

Gleichermaßen zum Entzücken für Ohr, Gemüt und Intellekt sind die beiden DVDs mit den Titeln Richard Strauss Gala und My Richard Strauss, die ein Konzert mit ausschließlich Werken des bayerischen Komponisten und einen Essay über denselben, ausgehend vom Verhältnis des Berliner Dirigenten Christian Thielemann zu seinem zweiten Hausgott (Es gab bereits eine CD mit dem Titel Mein Wagner.) anbieten. Wer könnte berufener sein als die Dresdner Staatskapelle, die neun der Opern Strauss‘ uraufführte und in ihrem Archiv, wundersamer Weise durch den Krieg gerettet, die Partituren mit den Anmerkungen des Komponisten bewahrt.

2014 wurde das Konzert, in dem Konzertstücke und Arien einander abwechseln, aufgenommen, die DVD kam 2015 auf den Markt. Drei namhafte Strauss-Sängerinnen bestreiten die Solonummern. Christine Goerke singt den Beginn von Elektra und den Schluss von Salome, in rotschwarzem Kleid wohl Sünde und Tod gleichermaßen verdeutlichend, aber doch eher wie Carmen gewandet erscheinend. Ganz und gar Strauss aber ist ihr Gesang mit rundem, warmem Sopran, der auch an den exponiertesten Stellen nie schrill wird,  einer Stimme, die in der Höhe aufblüht, für die Salome ein anrührendes Erstaunen und für Elektra und ihre Rufe nach dem Vater einen gewollt hohlen Klang in der Stimme hat. Das Piano am Schluss kommt ohne jeden Farbverlust daher, ein feines Flirren im Sopran kennzeichnet das „Geheimnis der Liebe“ und für “was soll’s“ gibt es einen schönen Schwellton. Mit nur einem Stück ist Anja Harteros vertreten, die Arabellas „Mein Elemer!“ mit leuchtendem Sopran singt, so dass man wie bei ihren italienischen Partien meint, sie sei gerade und ganz besonders für dieses Repertoire geschaffen. Die Gefühlsschwankungen, in denen sich Arabella bewegt, werden wunderbar nachgezeichnet, die Stimme ist in allen Lagen gleich stark präsent. Der dritte Sopran, ebenso rollendeckend wie der ihrer beiden Vorgängerinnen eingesetzt, ist Camilla Nylund in der Zweiten Brautnacht der Ägyptischen Helena und im Schlussgesang der Daphne, deren Charakter der silbrig schimmernde Sopran ganz besonders gut entspricht. Die erfahrenere Helena wird passend im roten, die keusche Daphne im blauen Gewand vorgestellt.

Das Besondere dieses Konzertes ist es, dass auch weniger bekannte Musik vorgestellt wird, neben der Zweiten Brautnacht vor allem in den Orchesterstücken. Zwar darf der Rosenkavalier-Walzer nicht fehlen, aber auch Die schweigsame Frau, Feuersnot und Intermezzo werden vom Orchester und seinem Dirigenten mal in funkelnder Pracht, mal in feiner Innigkeit zu Gehör gebracht.

Nicht weniger interessant als das Konzert ist der Essay über Thielemann und seinen Lieblingskomponisten, der Originalaufnahmen mit Strauss, viel Wissenswertes auch aus dem Mund des britischen Musikwissenschaftlers Bryan Gilliam („Die Deutschen haben einen Erbsündekomplex und meinen deshalb Strauss hassen zu müssen.“) und natürlich viel mit Thielemann wie Probenausschnitte und Reflexionen über die Musik des Meisters bringt. Als zwischen Skatspiel und Dämonenbekämpfung lebend wird der Komponist charakterisiert, und es bleibt dem Zuschauer- und -hörer manch Nachdenkenswertes im Gedächtnis wie :“Das Schönste ist das Unausgesprochene.“ (C-Major728908/ Foto oben: Richard Strauss gemalt von Max Liebermann/ Foto Wikipedia. nl ). Ingrid Wanja