Ganz aktuell von der Mozartwoche Salzburg 2020 veröffentlicht UNITEL auf Blu-ray Disc (803504) eine Produktion aus dem Haus für Mozart mit Georg Friedrich Händels Oratorium Der Messias in der Version von Wolfgang Amadeus Mozart (Wien, 1789). Robert Wilson zeichnet für die Inszenierung, die Bühne und das Licht verantwortlich, was seinen typischen, manierierten Stil von strenger Statuarik einbringt. Die Bühne ist ein leerer, mit Neonröhren eingefasster und hellblau ausgeleuchteter Raum, die Gesichter der Interpreten sind in Wilsons eigentümlicher Manier weiß gekalkt und in asiatischer Art geschminkt. Oft sieht man faszinierende Lichtstimmungen und reizvolle Silhouetten-Effekte, so beim im Hintergrund herein schreitenden Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh), mit kahlen Ästen in den Händen. Das Ensemble singt klangvoll und präzise, sorgt vor allem beim „Hallelujah“ für vokalen Glanz und findet für den Schlusschor „Würdig ist das Lamm“ erhabene Töne. Mehrfach verwendet Wilson architektonische Elemente – in der Luft schwebende Balken oder einen zeitgenössischen Triumphbogen. Ein halbnackter Tänzer (Alexis Fousekis) erscheint mit zwei Bändern wie in der künstlerischen Gymnastik und wirbelt in bravourösen Pirouetten über die Bühne. Auch später, beim Chor „Denn es ist uns ein Kind geboren“, hat er einen vitalen Auftritt mit schnellen Läufen und hohen Sprüngen. Hinten wandelt sich die Szene zu einem wogenden Meer in der Video-Gestaltung von Tomasz Jeziorski.
Musikalisch wird die Live-Aufführung geprägt von Marc Minkowski am Pult des Ensembles Les Musiciens du Louvre. Er findet die Balance zwischen Energie und Meditation. Wunderbar breitet er die Pastorale am Ende des ersten Teiles aus.
Als erster Solist betritt der Bassist José Coca Loza die Bühne, gewandet wie ein japanischer Samurai (Kostüme). Er trägt ein Kind in einem biedermeierlichen Kleid mit Puffärmeln im Arm; ein rätselhaftes Fransenmonster geistert hinten umher. Die Stimme des Sängers ist resonant, der Vortrag allerdings textunverständlich. Seine Arie im zweiten Teil, „Warum denn rasen“, wird von Minkowski furios eingeleitet, auch der Sänger bemüht sich um stürmischen Ausdruck und rasende Koloraturläufe. Das Video im Hintergrund zeigt ein gewaltiges Eismeer. „Die Posaune erschallt“ am Ende lässt er in pompöser Manier ertönen. Als Schattenriss tritt der Tenor Richard Croft auf, während hinten der Mond hereinschwebt und wandert. Bereits im Rezitativ „Tröste dich“ und in der Arie „Alle Tale“ lässt der Sänger seine baritonal grundierte und in der Höhe intakte Stimme hören – sie ist noch immer ideal für dieses Repertoire. Später muss er leider mit einem alten Mann in chaplinesker Manier herumtänzeln. Bei „Du zerschlägst sie“ im zweiten Teil setzt er in Stimme und Darstellung starke ironische Akzente. Wiebke Lehmkuhl in schwarzem Seidengewand lässt einen hell getönten Alt hören, der in der Arie „O du, der Wonne verkündet“ durch die kultivierte Gestaltung für sich einnimmt. Die Arie im zweiten Teil, „Er ward verschmähet“, singt sie mit Strenge und Anteilnahme. Elena Tsallagova in hellem Kleid komplettiert das Solistenquartett mit klarem Sopran – leider auch sie mangelhaft in der Artikulation, was generell ein Problem dieser Produktion ist. Ihr Duett mit dem Alt „Er weidet seine Herde“ singt sie hier solistisch vor einem kopflosen, auf dem Stuhl sitzenden Mann, was wie ein Zitat aus der Salzburger Salome wirkt. Auch sind ihr mehrere Accompagnato-Rezitative des Tenors und dessen Arien „Schau hin und sieh“ sowie „Doch du ließest ihn dem Tode nicht“ übertragen, was auf Mozarts Version zurückgeht. Leider gibt die Ausgabe (ohne Booklet) über die Unterschiede der beiden Fassungen keine Auskunft. „Wie lieblich ist der Boten Schritt“ ist dagegen eine dem Sopran angestammte Arie, und die Sängerin lässt hier auch den gebührenden Wohllaut hören. Für ihr „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ zu Beginn des dritten Aktes fährt sie – nun ganz in Schwarz – in einem Kahn herein. Und ihr gehört das letzte Solo des Werkes – „Ist Gott mit uns“ –, das sie als Lichtgestalt im Zentrum der Bühne eindringlich formuliert Bernd Hoppe