Ein Tenor auf gutem Weg

Vor einigen Jahren, als er in der Arena di Verona als Conte Almaviva Aufsehen erregte, galt der Tenor Francesco Meli noch als reiner Rossini- bzw. Mozartsänger. Inzwischen hat er in kluger Karriereplanung viel Donizetti gesungen und sich über den Duca und Alfredo auch ins Verdifach vorgearbeitet. Wie auch andere italienische Sänger hat er am Opernhaus von Posen einiges ausprobiert, wovon eine CD mit einem Recital zeugt, Live-Aufnahme eines Konzerts aus dem Jahre 2009, das er mit der Filharmonia Poznanska unter Lukasz Borowicz aufgenommen hat und das zur Reihe World Opera Stars gehört.

Das Programm ist kein rein italienisches, sondern beginnt mit der Ouvertüre zu einer Oper Ignacy Feliks Dobrzynskis mit unaussprechbarem und unmerkbarem langem Namen, deren Musik teils düster schwelgend, teils blechtrunken schmetternd ertönt, offensichtlich ein Potpourri der im Werk enthaltenen Melodien und insgesamt recht plakativ. Nach der Tenorarie aus Il Duca d’Alba, die nicht von Donizetti, sondern von Matteo Salvi stammen soll, gibt es noch ein Tanzstück aus Hrabina, also nicht aus der polnischen Nationaloper Halka von Stanislaw Moniuszko , an der nach 1945 kein DDR-Opernhaus vorbei kam. Danach wird es rein italienisch mit Arien von Donizetti und Verdi.

Bereits in „Angelo casto e bel“ zeigt Meli einige seiner Stärken: die leichte Emission und vorzügliche Diktion, das Wissen um die Wichtigkeit der Rezitative und die gute Phrasierung. Die Stimme ist dunkler geworden und auch in der Mittellage sehr präsent. Er trifft perfekt den elegischen Ton der Arie mit einer leichten Andeutung der „lacrima nella voce“. Die acuti werden nicht zu offen gesungen und die Stimme hat eine einheitliche Farbe. Es folgen Arien aus den Donizetti-Opern Elisir, Roberto Devereux und Lucia di Lammermoor, in denen die Geschmeidigkeit der Stimmführung, das schöne Piano und Legato erfreuen können, in der Schluss-Sene der Lucia sind die Schwelltöne bemerkenswert, klingt die Höhe  leider etwas angestrengt – da gab es wohl keine Möglichkeit zur Nachbesserung.

Der Verdi-Teil besteht aus den Tenorarien aus Trovatore, Lombardi, Ballo in maschera und Luisa Miller. Ein Verdi-Sänger war Meli vor vier Jahren noch nicht. „Ah si, ben mio“ wird recht schnell genommen, was der Stimme entgegen kommt, ein zusätzlicher Spitzenton erfreut das Publikum, eine reiche Agogik verfehlt ihre Wirkung nicht. Für den Riccardo hat Meli die Eleganz der Stimmführung, eine leicht abgedunkelte Stimmfarbe und einen winzigen Glottisschlag. Die Partie wird ihm gut liegen. Ebenso der Oronte, den er schwärmerisch und mit einem tollen Spitzenton singt. Rodolfos „Quando le sere“ erfährt nach sehr lyrischem Beginn eine feine Steigerung ins Dramatische.

Auf die weitere Karriere des klugen, behutsam planenden Sängers kann man gespannt sein. herausragend aber ist hier auch die Leitung des versierten Orchesters durch Lukasz Borowicz. In nur kurzer zeit hat sich der junge Pole einen internationalen Namen gemacht und geht zahlreichen Verpflichtungen an den großen Häusern außerhalb seines Heimatlandes nach, so auch in Berlin. Spannend ist aber auch seine Tätigkeit „zu Hause“ beim eigenen Rundfunkorchester in Warschau, wo er durch das breite und für Kenner prachtvolle Repertoire aufgefallen ist. Montemezzi, Donizetti, Weber, Cherubini und deren Opern lassen Fans nicht nur zum Beethoven-Festival im Frühjahr nach Warschau kommen, wenn internationale Stars wie Nelly Miriciou oder Melanie Diener den Auftritten Glanz verleihen und sich die einheimischen Sänger von Rang nicht verstecken müssen. Borowicz hat bietet dieses Geheimnis der spontanen Kommunikation, reißt den Hörer mit, nimmt ihn mit auf die Reise durch die Musik und deren Emotionen – so auch hier auf der Verdi-CD von Franncesco Meli, wo die Einleitungen den idealen Rahmen bilden und wo die beim Tenor angesiedelten Emotionen im gut disponierten Orchester Widerhall finden – selten hat man das Zusammenspiel so kongenial erlebt (PNCD 1405).

Ingrid Wanja

 

Diese oben besprochene CD gbts zur Abwechslung mal bei Amazon Deutschland.

Hier sind darüber hinaus für andere Aufnahmen aus Polen, die es nicht in Deutschland gibt, zwei Adressen von Geschäften in Warschau, die – laut Bogna Kowalska (Deputy Director Polish Radio Symphony Orchestra; Tel. +48 22 645 51 12; Mob. +48 508 011 219) – die Aufnahmen führen und verschicken, es finden sich englischsprachige Hinweise auf den Websites, leider gibt’s immer noch keinen deutschen Vertrieb: www.empik.com undwww.merlinmuzyka.pl. (G. H.)