Zartes aus der Schweiz

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Mit dem doppelten Titel Zauberluft und Air Magique trägt das Cover der Lied-CD aus der Schweiz wenigstens zwei derer Landessprachen Rechnung, das Foto von Sängerin Stephanie Bühlmann und Pianist Benjamin Engeli ist in zarten Beige-Tönen gehalten, und so lassen Titel und Farbgestaltung schon einmal nichts Abrupt-Modernes, die Sinne Aufwühlendes, gar Abstoßendes, vermuten. Auch im Booklet ist vom Streben nach Harmonie die Rede, vom Zurückkehren zum Dreiklang und von der Schweiz als „Zwischenland“.  Zwischen 1917 und 2016, also innerhalb eines Jahrhunderts sind die Stücke entstanden, Vater und Sohn, Deutschsprachige und Französischsprachige vertreten, wobei auch zwei Kompositionen auftauchen, die ins Französische übersetzte deutsche Gedichte von Heine und Chamisso zur Grundlage haben.

Originalgedichte von Heinrich Heine aus dessen Buch der Lieder hat Richard Flury (der Ältere) vertont, es beginnt aber mit „Sommerwolke“ auf einen Text von Otto Zinniker, für die der Sopran eine frische, mädchenhafte Stimme einsetzt, bei deren Einsatz  aber auch das Hauptmanko, eine recht verwaschene Diktion zu beanstanden ist, die kaum damit zu entschuldigen ist, dass sich sowohl im Textlichen wie im Musikalischen vieles im Ungefähren abspielt. Besonders die Zeilenanfänge sind davon betroffen. Der Sopran trägt sehr gut im Piano, wie „Augenzauber“ beweist, Intervallsprünge wie in „Im wunderschönen Monat Mai“ werden sicher gemeistert, das Vibrato ist auch in der Höhe sehr fein. Angemessen viel Zeit nimmt sich die Sängerin für bedeutungsschwere Begriffe wie „klingen“ oder wird angemessen dringlich wie für „Verlangen“, bedeutungsschwanger auf „ewig“ im Mörike-Lied Nimmersatte Liebe. Eine besondere Qualität der Sopranstimme ist der zarte Schimmer, der auf ihr zu liegen scheint, was insbesondere im Lied Libelle auszumachen ist.

Auch Goethe wurde vom altpersischen Dichter Hafis inspiriert, auf dessen Gedichte der Tenor und Komponist Daniel Behle drei auf der CD vertretene Lieder komponierte. Hier erwartet man von der Stimme mehr Sinnlichkeit, wird sie erst in Am Anfang in Treuen so expressiv, wie Text und Musik es verlangen. Ringelnatz liegt der Sängerin mehr, ihre Interpretation von Tiefe Stunden ist angemessen kontrastreich, während Nachtschwärmen noch recht verhuscht klang. Interessant ist die knappe Klavierbegleitung.

Urs Joseph Flury, der Sohn von Richard, lässt das Klavier ironische Akzente setzen, das gemeinsam mit der Stimme den Kontrast zwischen „kleiner Melodie“ und „Sommer-Sinfonie“ erfahrbar macht, in Die schöne Farbe werden die Konsonanten sehr weichgespült, gibt sich die Stimme ein geheimnisvolles Flair.

Auch bei den Liedern auf französische Texte lassen sich dieselben Qualitäten bewundern und Einwände machen wie bei den deutschen Liedern. hat Gedichte des Litauers Algimantas Narakas vertont, in Après le bal umspielt das Klavier liebevoll die Stimme, in Carriole au matin schwingen Melancholie und Nostalgie mit, wird es energisch wie in Automne, wird einiges in der Eile verschluckt, in Valse des années  Hingetupftes zur Manier.

Sechs Lieder von Paul Miche beschließen die Aufnahme, auch sie zu zurückhaltender Klavierbegleitung spätromantisch bis impressionistisch. In Instant kann die Sängerin noch einmal mit feinen Tongespinsten glänzen, bitter-süß in Romance italienne klingen und in schöner Schlichtheit Terre Jurassienne feiern und mit zum Beweis dafür beitragen, dass auch heute noch tonales Komponieren möglich und erfolgreich sein kann (SM 384). Ingrid Wanja