Vivaldi mit Rätseln

 

Reizvoll ist das Programm einer neuen CD bei Ëvoe Records mit dem Titel Carnevale di Venezia (ËVOE 003). Zu hören sind Arien und Instrumentalstücke aus fünf Opern und drei geistlichen Werken Vivaldis, die von der Cappella dell’Ospedale della Pietà Venezia unter Leitung von Stefan Plewniak musiziert werden – einem Klangkörper, der nach dem venezianischen Vorbild im 18. Jahrhundert nur mit jungen Musikerinnen besetzt ist. Damals waren es Waisen, die in diesem Orchester, das von Vivaldi selbst gefördert wurde, Zuflucht fanden. 2013 hatte Plewniak die Initiative, ein Ensemble nach dem historischen Modell zu gründen, um diese Tradition wieder zu beleben. Die Gesangssolisten sind die Mezzosoprane Miriam Albano und Natalia Kawalek sowie der Counter Jakub Józef Orlinski. Leider sind im Booklet die einzelnen Arien den beiden Interpretinnen nicht zugeordnet, so dass nur eine pauschale Beurteilung der zwei Sängerinnen möglich ist. Die Beiträge des Countertenors sind dagegen auf Grund des Stimmtyps eindeutig auszumachen, obwohl auch sie nicht ausgewiesen sind. Er beginnt mit „Vedrò con mio diletto“ aus Il Giustino, einer sehr getragenen, empfindsamen Arie, die er klangvoll und mit großer Kultur vorträgt. Auch im folgenden „Sento in seno“ aus derselben Oper, sehr delikat mit pizzicato-Tupfern eingeleitet, weiß er mit subtiler Stimmführung zu beeindrucken. Mit virtuosen Koloraturläufen unterstreicht er sein technisches Niveau im rhythmisch energischen  „Longe mala“ aus der Motette RV 629 sowie in der letzten Nummer der Programmfolge, dem furiosen „Fara la mia spada“ aus Il Tigrane, in welchem sich der Sänger fulminant behauptet.

Die Mezzosoprane singen Arien aus L’Olimpiade (das Gleichnis vom Schiff in den Wellen „Siam navi all’onde“ mit beeindruckendem Fluss der Koloraturen), Griselda („Ombre vane“), dem Oratorium Juditha Triumphans („Armate facae“) und Il Farnace (das klirrend frostige „Gelido in ogni veno“). Die beiden Stimmen unterscheiden sich im Timbre nicht wesentlich und haben gelegentlich einen etwas strengen Beiklang, zeichnen sich aber durch hohe Virtuosität aus.

Die Cappella erhöht den musikalischen Gesamteindruck der Platte mit den drei Sinfonie beträchtlich. Die zu L’Olimpiade eröffnet in stürmisch aufgewühltem Duktus das Programm und lässt sogleich das hohe künstlerische Niveau des Klangkörpers erkennen, der mit vitaler Energie und reicher Agogik aufwartet. Später folgen noch die Ouvertüren zu Il Farnace und Il Giustino, auch diese kontrastreich im Wechsel von bewegten und kantablen Sätzen. Die Ausgabe begleitet ein aufwändig gestaltetes Booklet in fünf (!) Sprachen. Bernd Hoppe