Versprechen eingelöst

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Mit dem Schumann-Album „Stille Liebe“, das der junge Bariton Samuel Hasselhorn gemeinsam mit dem Pianisten Joseph Middleton bei Harmonia mundi herausgebracht hat, konnte er sich nach übereinstimmender Meinung der Fachkritik einen festen Platz unter den besten Lied-Interpreten unserer Tage sichern. Jetzt hat das Duo mit einem Schubert-Recital bei demselben Label nachgelegt, das wiederum durch Originalität des Programms und reife Interpretationen besticht. In seinem sehr persönlichen Geleitwort bezeichnet der Sänger Glaube, Hoffnung und Liebe als drei zentrale Themen des Menschseins: „Sie sollen uns an die wichtigen Dinge und Werte erinnern, die uns in letzter Zeit aufgrund von Angst, Neid oder Hass verloren gegangen  zu sein scheinen.“

Mit wenigen Ausnahmen bewegen sich die beiden Künstler abseits der ausgetretenen Schubertlied-Pfade. Zwar fehlen einige gängige Titel nicht wie Erlkönig, Der Zwerg, Auf dem Wasser zu singen oder Nacht und Träume, aber wer nicht schon eine Gesamt-Edition der Schubert-Lieder zuhause stehen hat, wird hier mit einer Reihe kaum bekannter Titel konfrontiert und in einigen Fällen staunen, dass sie von Schubert stammen sollen. Schon das in seinem Todesjahr 1828 entstandene Lied Glaube, Hoffnung, Liebe, das dem Album den Titel gibt, lässt eher an Beethoven denken. Und in der Tat: Wie uns die sehr sachkundige Einführung von Stéphane Goldet im Booklet aufklärt, war es eine Art Huldigung an den großen Meister, bei dessen Beerdigung im Jahr zuvor Schubert zu den Sargträgern gehörte. Totengräbers Heimweh (1825) ist ein Selbstgespräch des grimmig seinem ungeliebten Geschäft nachgehenden Mannes, der sich nach seinem eigenen Tod und seinem Eingang ins Paradies sehnt. Die befreiende ewige Ruhe steht auch am Ende der Betrachtungen An den Mond in einer Herbstnacht (1818), in der musikalischen Form (sechs Strophen in unterschiedlicher Länge und Stimmung) die formal originellste Komposition des Albums. Der blinde Knabe (1825) gewinnt in einem piano vorgetragenen, eher heiteren Gesang seinem harten Schicksal positive Seiten ab, weil er ein reiches Innenleben hat und sich frei von Schuld fühlt. In Abschied von der Erde (1826), dem Monolog eines Sterbenden, wählt Schubert die Form des Melodrams, der Deklamation mit Klavierbegleitung.

Vor sieben Jahren hat Samuel Hasselhorn, damals 24 Jahre alt, unter dem Titel „Nachtblicke“ sein erstes Lied-Album herausgebracht, in dem Schubert (neben Pfitzner und Reimann) bereits eine zentrale Rolle spielte. Er zeigte da eine von der Nachahmung großer Vorbilder völlig freie Herangehensweise und weckte mit seinem hellen, schlanken Bariton, der erstaunlich vieler farblicher Schattierungen fähig war, große Hoffnungen für die Zukunft. Hoffnungen, die er mittlerweile eingelöst hat. Natürlicherweise hat sich die Stimme seither verändert, ist breiter, auch dunkler geworden. Und die unterdessen gemachten Bühnenerfahrungen – er ist jetzt Ensemblemitglied der Nürnberger Oper – geben seinem Vortrag eine zusätzliche dramatische Dimension. Intellektuelle Durchdringung der Lieder verbindet sich mit dem Streben nach einem sinnlichen vollen Klang. Kontemplative Momente wechseln sich mit heroischen Attacken ab. Dass der unverwüstliche Erlkönig, den er schon im ersten Recital im Programm hatte, nicht wirklich unter die Haut geht, liegt auch an der nicht ausgewogenen Klangbalance, die Stimme muss sich hier gegen das schweres Geschütz auffahrende Klavier durchsetzen. Doch ansonsten ist das Zusammenwirken von Sänger und Pianist wieder vorbildlich.

Wenn die weitere stimmliche Entwicklung des Sängers so konsequent fortschreitet wie in den letzten sieben Jahren, so ist es durchaus vorstellbar, dass wir in ihm in 10-15 Jahren einen veritablen Wotan haben (harmonia mundi france HMM 902689). Ekkehard Pluta