Der manchmal auch irrende Volksmund behauptet, Tenöre seien dumm, aber zumindest zwei von ihnen haben in der Pandemie das Gegenteil bewiesen und für gestrichene Auftritte bzw. Aufnahmen Alternativen entwickelt. So gab sich Jonas Kaufmann im Homestudio Selige(n) Stunden mit Helmut Deutsch hin und Roberto Alagna hat mit Gattin, erster und zweiter Tochter ebenfalls im trauten Heim, wie die Fotos im Booklet beweisen, französische Chansons eingespielt.
Le Chanteur nennt er die CD, weil er selbst, zwar mit sizilianischen Wurzeln, aber in Frankreich aufgewachsen, von seinen Nachbarn so genannt wurde, lange bevor er den Gesang zu seinem Beruf machte. Bevor die CD entstand, hat sich der Sänger offensichtlich viel Gedanken über sein Unterfangen gemacht, erklärt im Booklet, dass er nicht nur typisches, reines Französisches eingesungen, sondern auch die vielen Kulturen, die zur französischen etwas beigesteuert haben, berücksichtigt hat. Das erklärt auch die ganz unterschiedlichen Begleitinstrumente, zu denen unter anderen auch eine gypsy violin (das deutsche Wort vermeidet man besser) oder ein Bandoneon gehören.
Der erste Track, der bereits erwähnte Chanteur, lässt erkennen, dass die schöne italienisch timbrierte Stimme Glanz, Frische und Geschmeidigkeit bewahrt hat, wozu als weiteres Plus die natürlich idiomatisch korrekte Aussprache kommt. . Unverfälschtes Pariser Flair wird mit Padam, padam verbreitet, reizvoll ist zur ausgebildeten Sängerstimme die Begleitung durch Gitarre und Trompete in den bekannten Feuilles mortes. Das zärtliche Verklingen bleibt besonders im Gedächtnis. Der Summchor aus Butterfly stand Pate für J’attendrai, und auch der Tenor beginnt summend, ehe er auch im Weiteren die Herkunft der Melodie unterstreicht. Eine Abkehr vom Schöngesang verlangt Adieu mon pays, unüberhörbar einen herberen Klang, einen orientalischen Touch, während für Un jour je te dirai die Rückkehr zu eher schmeichelnden Tönen angebracht ist. Tochter Ornella aus erster Ehe bringt mit ihrer Naturstimme Kubanisches ins Spiel, anrührend ist das Duett Mayari, während in Bohémienne unüberhörbar Carmen mitmischt. Gypsy Jazz prägt auch Nuages, für die der Tenor, wie er meint, die Stimme mit Olivenöl geschmiert hat. Anrührend ist, wenn die kleine Tochter Malena hier die Rolle des Sklaven übernimmt, dunkel eingefärbt wird er Tenor für Mon pot`le gitan, straff und dunkel ist sie im Tango Il pleut sur la route, der Musette –Walzer Cèst un mauvais garcon gerät jazzig, zu Maniusiu steuert Gattin Aleksandra Kurzak Polnisches bei, und zuletzt wird mit Brels La chanson des vieux amants Belgien eine Reverenz erwiesen. Dem Sänger willkommene Beschäftigung, dem Hörer angenehmster Zeitvertreib ist diese CD, die es ohne Corona nicht gegeben hätte (Sony 19439790592). Ingrid Wanja