Turqueries Galantes

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Eine reizvolle Platte mit der kanadischen Sopranistin Florie Valiquette bringt das Label Château de VERSAILLES heraus (CV5058). Begleitet vom 2019 gegründeten Orchestre de l’Opéra Royal unter dem französischen Dirigenten Gaétan Jarry stellt sie ein Programm mit dem Titel La Captive du Sérail vor, das im Oktober 2020 im Château de Versailles aufgenommen wurde. Die Arien und Orchesterstücke von André Grétry, Wolfgang Amadeus Mozart, Christoph Willibald Gluck, François-André Danican Philidor, Pierre-Alexandre Monsigny und Paul-César Gibert huldigen sämtlich der im 18. Jahrhundert gängigen Türken-Mode. Das Programm beginnt mit einem Block von Grétry-Kompositionen. Aus La Caravane du Caire – einem Meisterwerk des à la Turque-Genres – sind die Ouverture, die Danse générale und die Ariette der Esclave française „Ne suis-je pas aussi captive“ zu hören. Die Sopranistin besitzt eine weiche, lyrische Stimme, die feine Triller und Verzierungen mühelos absolviert, darüber hinaus auch mit koketten Tönen erfreut. In den orchestralen Kompositionen kann der Klangkörper der Opéra Royal gebührend auftrumpfen, aber auch delikate und orientalisch anmutende Klänge hören lassen. Aus Zémire et Azor, einem Opéra Ballet, erklingt das Air der Titelheldin „La fauvette“. Später gibt es aus diesen beiden Werken noch mehr Ausschnitte – aus der Caravane die Danse Égyptienne in reizvoller Fremdartigkeit und eine weitere, liebliche Arie der Esclave française („Nous sommes nés pour esclavage“) sowie aus Zémire et Azor Zemires zärtliches „Rose Chérie“ und den munteren Passepied.

Weitere Beiträge französischer Komponisten stammen von Philidor (die innige Arie der Zeila „Oh Ciel“ aus La Belle Esclave, Monsigny (Andante, Gigue et Contredanse aus Aline, reine de Golconde) und Gibert (die Arie der Roxelane „Oh, vous que Mars rend invincible“ aus Soliman II ou les Trois Sultanes. Bei Monsignys Opéra Ballet hat das Orchester Gelegenheit für subtile und rhythmisch rasante Beiträge. Die feinsinnige Arie von Gibert steht am Schluss des Programms und lässt die Stimme der Solistin noch einmal hell erstrahlen.

Mit Gluck findet sich der erste bekannte Komponist in dieser Anthologie. Aus seiner Oper Les Pélerins de la Mecque gibt es nicht weniger als vier Ausschnitte – die lebhafte Ouverture, die Arien der Amine („J’ai perdu mon étalage“) und der Rezia („Ah! Qu’il est doux de se revoir“) sowie das Duett Ali/Rezia „Qu’il est doux de partager ses chaines“, bei dem der recht buffonesk tönende Tenor Nicholas Scott Partner der Sopranistin ist. Während die Amine den Soubrettenpart des Werkes bedient, ist die Rezia von lyrischem Gewicht und mit anspruchsvollem Zierwerk ausgestattet. Valiquette verleiht beiden Partien die passende Kontur. Schließlich findet sich mit Mozarts Singspiel Die Entführung aus dem Serail auch ein wirklich populäres Werk in der Sammlung – hier in der französischen Version als L’Enlévement au Sérail. Zu hören sind die Arie der Konstanze „Loin de l’objet de ma tendresse“ („Ach, ich liebte“) und das Duett Konstanze/Belmonte „Je te savais“ („Meinetwegen sollst du sterben!“). Der jugendliche Sopran der Valiquette ist im Ausdruck für die Konstanze vielleicht noch nicht reif genug und eher noch dem Blondchen zugehörig, doch singt sie mit viel Empfindung und ohne Frage mit hoher Virtuosität. Beim Duett ist wieder der Tenor Nicholas Scott beteiligt ist – auch er mehr ein Pedrillo denn ein gültiger Belmonte (18. 02. 2022). Bernd Hoppe