Der italienische Tenor Enrico Caruso hat geschafft, was heutzutage selbst die perfekteste PR-Kampagne nicht erreichen könnte: Sein Name ist selbst der Oper fernstehenden Menschen ein Begriff und gilt allgemein als Synonym für schönen Gesang. Dass diese bis heute ungebrochene Popularität des Neapolitaners zu immer neuen Editionen seiner umfangreichen Plattenaufnahmen führt, versteht sich von selbst. Caruso hat ca. 250 Schellackplattenseiten aufgenommen, daraus kann man Kompilationen der verschiedensten Art zusammenstellen, wie dies auch schon im Zeitalter der Vinyl-Schallplatte geschehen ist. Seit geraumer Zeit existieren zwei konkurrierende Gesamtausgaben auf CD, die sämtliche bekannte Aufnahmen Carusos enthalten, und dies in sorgfältig restaurierter Form. Ich persönlich bevorzuge die von Ward Marston für Naxos hergestellte Version auf zwölf CDs, sie hat Maßstäbe gesetzt.
Welche Überlegungen für das Label The Intense Media ausschlaggebend waren, jetzt eine 4-CD-Box mit einer repräsentativen Auswahl herauszubringen, ist nicht ganz nachzuvollziehen (600206). Die Aufmachung ist eher spartanisch, das Booklet enthält zweisprachig einen sehr allgemeinen biographischen Artikel, der nicht einmal namentlich gezeichnet ist. Die Trackliste nennt zwar jeweils das Aufnahmejahr, verzichtet aber ansonsten auf die für Sammler so wichtigen Labelnamen und Matrizen-Nummern. Das Klangbild ist durchaus befriedigend, Carusos Stimme scheint mir aber künstlich verstärkt, bei Forte-Stellen wirkt sie etwas plärrend, und es könnte der Eindruck entstehen, der Sänger wäre mitunter gar ein richtiger Brüller gewesen. Beim Hören der Originale wird gerade das Gegenteil deutlich, so gesehen wird diese Edition dem Künstler und seinen Liebhabern nicht gerecht.
Donizetti, Rossini, Verdi, Meyerbeer, Bizet – die Auswahl ist umfänglich, umfasst all jene Arien und Szenen, die es – auch Dank Caruso – zu großer Popularität gebracht haben. „Er singt die Psyche der Melodie“, hatte Richard Strauss über den Sänger gesagt. Ein Satz, der zu Recht am Beginn des Einführungstextes steht.
Peter Sommeregger