Träumerisches

 

Trotz enormer Vielseitigkeit in ihren Opernrollen von der Cenerentola bis Carmen ist die Kanadierin Karine Deshayes in erster Linie eine bemerkenswerte  lyrische Mezzosopranistin für ein Fach, das es gar nicht mehr so häufig gibt. Heute zieht es junge Sängerinnen dieser Stimmlage (meist viel zu früh) eher zur Dramatik und zum Koloraturfach. Mit Karine Deshayes zeigt  endlich wieder eine Sängerin die Tugenden einer Berganza oder (jungen) Kozena; ihre weiche und für einen Mezzo relativ helle Stimme mit bester  Intonation ist wie geschaffen für die vielen seltenen Partien im französischen Fach (wo sie als eine galleoinsfigur für die Unternehmungen des Palazetto Bru Zane gelten kann, wie jüngst für Davids Vesuv-Oper Herculanum) und fürs Lied.  An ihrer Seite bei dieser neuen CD Aprés un rêve bei Aparte: das französische Klaviertrio Ensemble Konraste. Es ist mehr als nur ein feinfühliger origineller Begleiter der Sängerin – die drei Instrumentalisten bekommen Raum für eigene Auftritte, mitunter auch in Zweierkombination, manchmal in arrangierten Piecen. Neben raren, auch betörenden Nummern wie Berlioz‘ Lied La Captive (für Stimme, Cello und Klavier) erklingen aus dem Album auch Hits wie die Méditation von Massenet oder Le Cygne von Camille Saint-Saens – Satimmungsmacher für einen lauen Sommerabend oder eine Runde Träumen am Kamin (so man hat).

Was ich an dieser CD sehr mag, ist die intelligente Kombination von beidem, Lied und Instrumentalstück (mit dabei: große französische Komponisten wie Gounod, Fauré oder Chausson).  Vielleicht sind die Tracks im Einzelnen gar nicht immer so gewichtig, doch insgesamt hat das Album einen großen intensiven Stimmungsbogen, die Reihenfolge der Nummern ist genial durchdacht; all dies wirkt wie das Gericht eines Meisterkochs, das aus guten Zutaten besteht, aber erst durch die Zusammenstellung der Zutaten exzellent wirkt.

So entsteht eine gelöste, aber auch intensive romantische Atmosphäre, die über siebzig Minuten überzeugend und fesselnd gehalten wird – in übrigens exquisiter Aufnahmequalität; auch das ist heute leider nicht mehr selbstverständlich (aparte / Harmonia Mundi; AP 106). M. K./ G. H.