„In War & Peace“ nannte Joyce DiDonato ihre jüngste Platte – dieser Idee der Mezzosopranistin folgt nun der Countertenor Terry Wey mit seiner neuen CD „ Pace e Guerra“ bei der deutschen harmonia mundi (88985410502). Auch er wählte für dieses Programm Barockarien aus. Sie alle wurden für den 1685 in Bologna geborenen Kastratenstar Antonio Maria Bernacchi komponiert, der wegen seiner Leibesfülle vielfach karikiert, wegen seiner stimmlichen Virtuosität aber überaus geschätzt wurde. In London galt Bernacchi eine Zeitlang als Nachfolger Senesinos, in Bologna freundete er sich mit Farinelli an und gab dem großen Kontrahenten sogar Unterricht.
Auf der Trackliste finden sich sieben Weltersteinspielungen, welche für die Sammler stets von besonderem Interesse sind. Dazu zählt sogleich der erste Beitrag, die Arie des Lucio Vero aus der gleichnamigen Oper des Münchner Hofkomponisten Pietro Torri. Ihr Titel „Pace e guerra“ gab der CD ihr Motto. Es ist ein Koloratur gespicktes Stück, in welchem der Interpret stimmliche Flexibilität demonstrieren kann. Sein Countertenor ist von weicher Textur, jugendlich im Klang, gelegentlich von larmoyantem Tonfall. Ebenfalls eine Premiere ist die Arie des Mitrane, „Quell’ usignolo“, aus Domenico Natale Sarros L’Arsace. Mit dieser lieblich wiegenden Nummer ergibt sich ein schöner Kontrast, zumal Wey hier mit zärtlichen Nuancen und feinen Trillern aufwartet. Aus Händels Partenope folgen zwei Arien des Arsace – auch diese kontrastreich mit „Ch’io parta“ als schmerzlich-entsagungsvolle Äußerung in getragenem Duktus und „Furibondo spira il vento“ als furiose Sturmarie, bei der Wey mit expressiver Attacke und bravourösen Koloraturrouladen zu hören ist.
Mit Hasses Demetrio folgt wieder eine Ersteinspielung – hier das Duett des Titelhelden mit Alceste, „Dal mio ben“, bei dem die Mezzosopranistin Vivica Genaux dem Counter mit ihrem bekannt gutturalen Timbre assistiert. Es ist die Komposition eines Abschieds von sanftem Charakter, in der sich die Stimmen kosend umschmeicheln, im bewegten Mittelteil aber auch im Koloraturfeuer wetteifern. Wiederum eine CD-Premiere ist die Arie des Polinesso, „Già mi par“, aus Carlo Francesco Pollarolos Ariodante, die dem Interpreten gleichfalls höchste virtuose Fähigkeiten abverlangt, welche der Sänger souverän erfüllt. Des Titelhelden Arie „Non disperi peregrino“ aus Händels Lotario ist ein von den Streichern zart umspieltes Stück, das dem stimmlichen Charakter Weys sehr entspricht. In der Arie des Medo aus Leonardo Vincis gleichnamiger Oper klingt die Stimme des Counters besonders resonant und reizvoll. Im nachfolgenden Terzett daraus gesellt sich zu ihm und der Genaux mit Valer Sabadus noch ein weiterer Vertreter dieser Stimmgattung. Und er setzt in diesem jubilierenden Gesang besondere Glanzpunkte. Bernacchi hatte es 1728 in Parma gemeinsam mit der Altistin Vittoria Tesi und Farinelli gesungen. Wie dieses Terzett ist auch die folgende Arie des Amadis aus Pietro Torris Amadis di Grecia eine Novität – in ihrem schmeichelnden siciliano-Rhythmus für Weys lyrisch-sensible Stimme wie maßgeschneidert. Aus Francesco Gasparinis Il Bajazet erklingt Tamerlanos „A dispetto“, was einen interessanten Vergleich zu Händels Vertonung des Stoffes ergibt, in welcher dieser die Titelrolle innehat. Von einem caccia-Hörnerklang begleitet, ist die Arie eine stürmische Ansage mit wütendem Koloraturfuror.
Mit einer letzten Weltpremiere, Casimiros Arie „Parto“ aus Torris Venceslao, endet das Programm und gibt dem Interpreten noch einmal Gelegenheit, seine Stimme mit sanft gefluteten Tönen schweben zu lassen. Das Bach Consort Wien unter Rubén Dubrovsky begleitet ihn sehr einfühlsam, setzt aber in den dramatischen Passagen der Arien auch eigene Akzente. Bernd Hoppe