Dimensionen nennt sich die Trilogie, von der Marlis Petersen nun den dritten Teil vorgelegt hat, nach Welt und Anderswelt schickt sie auch Innenwelt mit ihren Überlegungen sehr esoterischer Art auf den Weg, spricht im Booklet von der „inneren Nacht des Unterbewusstseins“, der „inneren Weisheit unserer Seele“, wünscht dem Hörer „viel inniges Erleben auf der Reise zu den inneren Welten“. Dem Hörer wünscht die Sängerin, „wieder Mensch (zu) sein und die Augen und Ohren und das Herz für unsere grandiose Welt (zu) öffnen“.
Rationaler und damit für viele sicherlich eher nachvollziehbar geht Joachim Reiber in seinem ebenfalls im Booklet enthaltenen Aufsatz mit dem Thema um, informiert so sachkundig wie engagiert über die Lieder vor allem aus der Romantik, aber auch von Richard Strauss und der französischen Musik.
Marlis Petersen schreibt zwar von der Vielfalt romantischen Erlebens, ihre Interpretationen jedoch sind fast durchgehend durch auf sehr schönes, auf die Dauer jedoch ermüdendes Piano konzentriert. Das garantiert den Eindruck tiefer Verinnerlichung, könnt aber, vor allem auf die Dauer gesehen, für Manierismus gehalten werden.
Im ersten Kapitel, Nacht und Träume genannt, hat sie in Weigls „Seele“ ein herrliches Gefunkel für „Sternen“, überzeugt bei Strauss‘ „Die Nacht“ die Hervorhebung der letzten drei Zeilen, könnte Brahms‘ „Nachtwandler“ mehr Binnendifferenzierung vertragen. Besonders verträumt geraten natürlich die „Träume“ in Wolfs „Die Nacht“, in feiner Zartheit kommt das Selige(s) Vergessen von Hans Sommer daher, erfreut den Hörer auch deswegen, weil er neben Bekanntem auch weniger Vertrautes hören kann. „Nacht und Träume“ von Schubert beschließt das Kapitel und lässt über die Fermate für „Heil’ge“ entzückt staunen.
Bewegung im Innern ist der zweite Teil betitelt und lässt mit Regers „Schmied Schmerz“ nicht zum ersten Mal bedauern, dass die Textverständlichkeit oft auf dem Altar der Verinnerlichung geopfert wird. Auch wäre etwas mehr Stimmvolumen, über das die Sängerin sicherlich verfügt, hier angemessen gewesen. Gemeinsam haben die folgenden drei Lieder die Beschwörung der Nachtigall, unverzichtbar für die Romantik wie Waldesrauschen und Posthorn. In Brahms‘ „Der Tod, das ist die kühle Nacht“ klingt „sogar im Traume“ tatsächlich wunderbar träumerisch, wie von fern ertönt in seinem „Nachtigall“ „ein leiser Widerhall“, noch sich steigern kann sich der Eindruck von Entrücktheit in Lizsts „Lasst mich ruhen“. Auch wenn eine zart angedeutete Ekstase in Wagners „Träume“ hörbar wird, wünscht man sich, daran sind vielleicht Hörgewohnheiten schuld, eine dunklere, sinnlichere Stimme.
Weiter geht es mit Mouvement Intérieur, wo in Faurés „Après un reve“ wichtiger die Einheitlichkeit der Stimmung als der Kontrast zwischen Verlangen und Erfüllung zu sein scheint. Wie bei den deutschen Liedern fällt bei den Chansons auf, dass die Textverständlichkeit zurückstehen muss hinter dem Wunsch, ein äußerstes Maß an Ästhetisierung zu erreichen. Duparcs „Chanson triste“ besticht durch den silbrigen Klang des Soprans, der Ton gewordenes Mondlicht zu sein scheint, dazu fällt hier nicht zu ersten Mal auf, wie vorzüglich die Begleitung durch Stephan Matthias Lademann ist.
Erlösung und Heimkehr kehrt zur deutschen Sprache zurück und lässt bei Wolfs „Gebet“ doch etwas mehr Schlichtheit vermissen, bei Lizsts „Hohe Liebe“ ein überzartes „trunken“ ein wenig üppiges „Himmel aufgetan“ noch Wünsche offen. Auch Richars Rösslers „Läuterung“ verbindet einen von „lodern“, „Gluten“, „rauschend“ geprägten Text von Richard Dehmel mit gleichbleibend zartem Gesang.
Aus den Vier letzten Liedern stammt „Beim Schlafengehen“, bei dem die Stimme wie eine zweite Violine klingt, die von einer ersten üppig virtuos herausgefordert wird. Da geht der schöne Text in virtuoser Selbstgefälligkeit unter. Zum prätentiösen Gedicht Rilkes und der Musik Robert Fürstenthals passt das geheimnisvolle Raunen der Stimme (Solo Musica SM 316). Ingrid Wanja