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Zwei in eins: Asmik Grigorian, in den letzten Jahren zum Weltstar der Oper aufgestiegen, hat sich der Vier letzten Lieder von Richard Strauss angenommen, die nun wahrlich herausragender Gestaltungskunst bedürfen. Darüber verfügt die litauische Sopranistin zweifellos, wenn ihre kräftige, volltimbrierte Stimme in allen Liedern aufs Feinste mit den farbenreichen Klängen des Orchestre Philharmonique de Radio France unter der souveränen Leitung seines Chefdirigenten Mikko Franck verschmilzt. Im impressionistisch anmutenden Frühling bewältigt sie problemlos den geforderten großen Umfang von fast zwei Oktaven und die vokalisenhaften Intervalle auf das Wort Vogelgesang. Beeindruckend ist auch die extrem ruhige Stimmführung in allen Lagen über lange Phasen hinweg, wie besonders in September oder im geradezu abgeklärten Im Abendrot deutlich wird. Als nun wirklich nur kleinen Wermutstropfen empfinde ich, dass die im Liedgesang so zwingend notwenige Diktion zu den Endkonsonanten nicht immer zufrieden stellt.
Im Vergleich zu den originalen Liedern für Sopran und Orchester hat ALPHA eine Fassung für Sopran und Klavier mit dem Pianisten Markus Hinterhäuser vorgelegt. Im Beiheft führt Asmik Grigorian dazu aus, dass die „beiden Versionen jeweils unterschiedliche Klangfarben erfordern, auch wenn es sich um dasselbe Stück handelt“. Zunächst fällt auf, dass sich die beiden Künstler in der Klavierfassung in allen Liedern gegenüber der Orchesterfassung für gedehntere Tempi entschieden haben. Auch werden bei allem pianistischen Können die vielfältigen Farben des Orchesters natürlich nicht erreicht. Abgesehen davon, dass sich die Sängerin hinsichtlich der Lautstärke deutlich zurücknimmt, weil das Klavier eben nicht so stark ist wie der volle Orchesterklang, sind die Klangfarben des Soprans gegenüber der Orchesterfassung kaum verändert. Letztlich bleibt es Geschmackssache, welche Fassung mehr gefällt (ALPHA 1042).
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Ein paar Jahre jünger als die Grigorian ist die bei Erato stark vertretene französische Sopranistin Sabine Devieilhe, die gemeinsam mit dem Pianisten Mathieu Pordoy Lieder von Wolfgang Amadeus Mozart und Richard Strauss aufgenommen hat. Nach welchen Gesichtspunkten die 16 Lieder von Strauss und die 8 von Mozart gegenüber gestellt worden sind, wird nicht immer deutlich, wenn man davon absieht, dass die selten zu hörenden vier Mädchenblumen von Strauss Mozarts bekanntem Veilchen vorangehen. Aber was das neckische Kinderspiel von Mozart mit Strauss‘ Ständchen und dem hoffnungsvollen Morgen (die Solo-Violine aus der Orchesterfassung spielt Vilde Frang) zu tun haben soll, hat sich mir nicht erschlossen. Auch das melancholische Allerseelen (Strauss) passt nicht wirklich zu Mozarts erotisch aufgeladenem An Chloe, aber vielleicht ist der starke Kontrast ja gewollt. Die Sängerin führt ihren klaren, silbrig timbrierten Sopran sicher, stets intonationsrein und mit schön aufblühenden Höhen durch alle Lagen. In partnerschaftlichem Musizieren mit dem souveränen Pianisten gelingen jeweils ansprechende Interpretationen der sehr unterschiedlichen Lieder, dabei das elegant präsentierte Oiseaux, si tous les ans von Mozart oder das bravourös vorgetragene, mit höchst komplizierten Koloraturen à la Zerbinetta gespickte Amor (Erato 5054197948862). Gerhard Eckels