Wohl eine schöne Tradition waren zwischen 1983 und 2000 die Konzerte Edita Gruberovas mit dem Münchner Rundfunkorchester, denn in den siebzehn Jahren gab es immerhin neun mit sehr unterschiedlichem Programm und unterschiedlichen Dirigenten. Von einigen Highlights gibt es in der CD-Reihe BR-Klassik eine Aufnahme, deren älteste, und damit die Gruberova am jüngsten, die Wahnsinnsarie der Lucia di Lammermoor ist, eines der cavalli di battaglia der slowakischen Sopranistin, die gerade vor einigen Tagen Abschied von ihrem Wiener Publikum nahm. Durch eine besondere Entrücktheit und Zerbrechlichkeit scheint sich die Donizetti-Heldin auszuzeichnen, die Mittellage ist noch nicht besonders stark ausgebildet, aber die Spitzentöne sind phänomenal, die kristallin klingende Stimme verlangt eigentlich nach der Glasharmonika als Begleitung, obwohl die Flöte ausgezeichnet klingt. Das virtuose Spiel mit den Verzierungen, das sichere Ansprechen der Stimme auch in den zartesten Pianissimi, die zusätzlichen Verzierungen im letzten Teil und die Fermate auf dem letzten Ton verdienen ebenso Bewunderung wie der damaszenerklingenartige Spitzenton. Lamberto Gardelli ist der belcantoerfahrene Dirigent.
1995 gab es ein Konzert mit Geistlichem von Mozart und Haydn. Mozarts „Exsultate, jubilate“ lässt eine zarte, aber nicht soubrettenartige Stimme vernehmen, die die Phrasenenden gern verhauchen lässt, der Jubel ist eher verhalten, ja verhuscht klingend, der zweite Teil dagegen von schöner Sanftheit. In des Komponisten „Laudate Dominum“ erweist sich der Sopran als so klar und rein, wie er innig zu singen weiß. Haydns „Lauft ihr Hirten“ zeigt eine schön instrumental geführte Stimme, die manchmal für den Komponisten etwas zu geschmäcklerisch klingt. Leopold Hager ist der kompetente Begleiter.
Wunderbar präzise ist der Prestoteil in Händels Arie der Alcina, der Sopran erweist sich als kostbares Instrument, das die Verletzlichkeit der Figur zu vermitteln vermag. Mark Elder begleitete 1997. Aus diesem Jahr stammt auch die Arie der Rosina in Sopranfassung, und was hier zu hören ist, klingt nicht nur ungewohnt, weil nicht von einem Mezzo gesungen. Ein bewundernswertes Trommelfeuer von virtuosen Verzierungen erringt zwar den tosenden Beifall des Publikums, zerstört aber auch, weil wie Selbstzweck erscheinend, das Kunstwerk. Die Technik ist bravourös, die Arie kaputt.
1996 widmete sich die Gruberova den Belcantodamen Beatrice und Linda. Bellinis Heldin lässt sie die unendliche Melodie spinnen und mit Pianissimi-Schwelltönen glänzen, Donizettis hüpft behände vom Ton zu Ton, bewältigt atemberaubende Verzierungen und vermittelt eine schöne Unbeschwertheit. Pinchas Steinberg ist der souveräne Dirigent.
2000 war Marcello Viotti am Dirigentenpult und rief in Erinnerung zurück, dass die Gruberova auch eine sehr humorvolle Adele war, Naturkind, Königin und Pariser Aristokratin in angemessener Verschiedenheit portraitierte. Also ist ein kleiner, aber feiner Querschnitt durch das Schaffen der Primadonna gut gelungen (BR 900325). Ingrid Wanja