Welcher Sopran möchte nicht wenigstens einmal im Leben Tosca, Butterfly, Norma oder Traviata sein, und sei es auch nur auf einer CD mit einigen der Stimme günstig gesonnenen Arien und mit einem Booklet, das sich in drei Sprachen wortreich über selbst dem sporadischen Opernbesucher bekannte Werke äußert (weil vielleicht die eigene Karriere wenig adäquaten Stoff für einen umfangreichen Text aufzuweisen hat?)! Linda Richardson (who???), hat gemeinsam mit der Sinfonia of London unter John Wilson Italian Opera Arias eingespielt und dabei weder Casta Diva, noch È strano oder Un bel di ausgelassen.
Es beginnt mit Pace, pace, wobei die zarte, sensibel geführte Stimme mit etwas zu schmalem Farbspektrum bereits im mezzo forte viel Vibrato gibt und in der Höhe scharf werden kann. Ein feines Piano am Schluss, eine empfindsame Wiederholung des „pace“ täuschen nicht darüber hinweg, dass man sich die Britin schwer in einem typisch italienischen Ensemble vorstellen kann. Es geht weiter mit Violettas È strano, das kapriziös klingt, agogikreich gesungen wird, in der Cabaletta zunehmend piepsig erscheint, zu soubrettig, aber mit einem schönen Spitzenton schon fast versöhnen kann. Warum es keinen Alfredo dazu gibt, ist umso mehr unverständlich, als an anderer Stelle ein Tenor als Butterfly-Rufer auf der CD erscheint. An anderer Stelle ist dann noch Addio del passato aus demselben Werk, wofür allerdings das dramatische Potential fehlt. Für Mimi im dritten Akt hat die Sängerin ein zartes und berührendes „senza rancor“ zur Verfügung, aber insgesamt nicht genug Farbe in der Stimme. Tosca schließt sich an mit unangenehmer, vibratoreicher Schärfe dort, wo die Stimme aufblühen sollte.
Weit besser als Verdi und Puccini gelingen der Sängerin die Auszüge aus Donizettis Anna Bolena, hier überzeugen die schöne Nachdenklichkeit, der elegische Grundton, der kluge Aufbau der Szene und das schöne Ausschwingen der Stimme. Man hat nicht den Eindruck von Überforderung. Amelias zweiter Arie fehlt es an innerer Spannung, daran kann auch der gewaltige Ausbruch kurz vor Schluss nichts ändern. Eine tadellose Kadenz macht Gildas Arie zu einem Hörgenuss, auch wenn man sich die Stimme für das junge Mädchen etwas frischer wünschen kann, aber tadellos gesungen ist Caro nome allemal.
Casta diva darf natürlich nicht fehlen, hat viele Einzelschönheiten wie einen feinen Triller, aber insgesamt stören Schärfen, die Dramatik ersetzen sollen. Senza mamma erfreut durch innige Töne und einen sehr schönen Schluss. Wie viel Mittellage eine Butterfly benötigt, um zu überzeugen, wird im letzten Track hörbar, aber auch hier stehen ein durchaus bemerkbares Verstehen der Figur und nicht optimale vokale Voraussetzungen nebeneinander (Chandos 20155). Ingrid Wanja