Quer durch Europa und anders wohin

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Aus  voneinander weit entfernten Teilen Europas, ja der Welt stammen die Musikstücke, die das Ehepaar Magdalena Kožená/Simon Rattle auf seiner neuesten  CD vorstellt, allen gemeinsam ist, dass sie auf Melodien von Volksliedern beruhen, die CD sich also zu Recht Folk Songs nennen darf.

Es beginnt mit dem Ungarn Bela Bartok, der für seine fünf Hungarian Folk Songs die Volksliedmelodie jeweils durch die Orchestrierung in einen neuen Kontext versetzt. Im einleitenden A törnlöchen, gleich In Prison, lässt der warme, helle Mezzosopran müheloser Emission eine sanfte Klage ohne Aufbegehren vernehmen, die ungarische Sprache wird nicht allzu akzentuierend dargeboten. Eher eine kindliche als eine weibliche Stimme scheint für Old Lament eingesetzt zu werden, und schön korrespondierend mit den Instrumenten erklingt Yellow Pony. Weit gespannte, schmerzlich klingende Bögen von schmerzlicher Intensität hat die Sängerin für Complaint bereit, und für Virag’s lamps und den schillernden Refrain des Stücks liefert das Orchester eine besonders interessante Begleitung.

Für Cathy Berberian komponierte Luciano Berio 1964 Folk Songs, für die es auch eine Version für nur sieben Orchestermitglieder gibt.  Das Entstehungsjahr der Songs ist auch das ihrer Scheidung, die jedoch eine weitere künstlerische Zusammenarbeit nicht verhinderte. Black ist he Colour ist eine zarte weibliche Liebeserklärung, während I wonder as I wonder eine interessante Rollenverteilung zwischen Stimme und Orchester bereit hält. Silbrig aufblühen in schöner Reinheit kann der Mezzosopran in Loosin yelav, während die Leichtigkeit der Emission im an die Nachtigall gerichteten Lied zu bewundern ist. Aber die Sängerin und das Orchester können auch anders, wenn sie für einen derben Dialekt auch den entsprechenden Ton finden. Zurück zur Leichtigkeit und Beschwingtheit geht es mit La donna ideale, wie eine wilde Tarantella klingt Ballo, in dem besonders schöne, fein gerundete Töne zu vernehmen sind. In zärtlicher Verspieltheit scheinen Stimme und Orchester einander zu umkreisen, und spätestens jetzt beginnt der Hörer den Einsatz ganz unterschiedlicher Instrumente und damit unterschiedlicher Hörerlebnisse zu konstatieren. Ein ganz besonderes ist das der Wildheit im abschließenden Aserbaidschanischen Lied.

Es geht weiter mit fünf Chansons von Maurice Ravel, teilweise von diesem selbst, teilweise vom Schüler Manuel Rosenthal instrumentiert. Es geht um Griechisches in französischer Sprache, in der die Stimme wie eine schlanke Flamme lodert, so im La-bas, vers l’eglise, oder wo in Quel galant eine Vielzahl unterschiedlicher Empfindungen offenbart wird, während im vorletzten Beitrag ein feierlicher Klang schön durchgehalten wird im ununterbrochenen Fluss der Musik. Über einem dumpfen Schlagzeug erhebt sich hell die Stimme in Tout gai! und beendet die Gruppe der Ravel-Lieder.

Exotisch schillernd wird es mit Xavier Montsalvatge, einem Katalanen mit Beziehungen zu Kuba und den Antillen, der mit Canciones negros der schwarzen Bevölkerung eine Stimme verleiht.  letzte Song Canto negro liefert einen furiosen Abschluss seiner Tracks , von denen selbst das Wiegenlied von der Unterdrückung durch den „white devil“ oder „mandinga blanco“ spricht. Stimme und Orchester setzen sich gleichermaßen emphatisch für die Klage der schwarzen Mutter ein (Pentatone PTC 5187 07). Ingrid Wanja