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Es mutet ein wenig prätentiös an, wenn ein Komponist von seinen Werken spricht, die er in seinen „early- and mid-twenties“ schrieb. Vor allem, wenn er gerade erst 31 wurde. Doch immerhin legte der 1990 in Boston geborene Matthew Aucoin mit seiner im November an der Metropolitan Opera unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin uraufgeführten Eurydice bereits seine fünfte Oper vor. Aucoin galt als Wunderkind, studierte Literatur in Harvard und Komposition an der Juilliard School, begann nach seinem Diplom als Assistant conductor an der Met, sprang 2014 beim Chicago Symphony Orchestra für Pierre Boulez ein, brachte 2015 in Chicago seine Kinderoper Second Nature und in Boston seine Walt-Whitman-Oper Crossing heraus. Daneben fand er noch Zeit, als Mitbegründer der American Modern Opera Company zu fungieren. Für einzelne Mitglieder dieses Ensembles, vielfach für den Geiger und Studienkollegen Keir GoGwilt, entstanden auch die sieben „frühen“ Stücke auf den beiden CDs Orphic Moments (BMOP sound 1084) mit dem Boston Modern Opera Projekt und der American Modern Opera Company. Bereits 2014 beschäftigte sich Aucoin mit dem Orpheus-Mythos, dem er in seiner Met-Oper Eurydice weitere Facetten hinzufügte: In der 16minütigen Kantate The Orphic Moment für Countertenor und Kammerorchester hält Aucoin den Augenblick fest, bevor Orpheus zur Geliebten zurückblickt und sie dadurch für immer an die Unterwelt verliert. Aucoin selbst hat den Text zu diesem Quasi-Dialog geschrieben, in dem Eurydices Klagen und Antworten der Geige zufallen.
Anthony Roth Costanzo, der The Orphic Moment 2014 kreierte und später in einer Bühnenproduktion mit Glucks Version des Orpheus-Mythos von 1762 kombinierte, singt den Orpheus mit fluidem sinnlichem Ausdruck, fast erotisch in den Duetten mit der Geige, so klar und präzise, dass jedes Wort zu verstehen ist, dramatisch und leidenschaftlich zugleich in seiner Selbstbehauptung als Künstler, was Aucoin als „ the artist’s amoral attitude that art matters more than other human beings“ beschreibt. Ebenfalls am Peabody Essex Museum in Salem, wo Aucoin seinerzeit Composer in residence war, sang Costanzo 2015 die Uraufführung von This Earth für Countertenor und Klavier; der vielseitige Aucoin hatte den Klavierpart übernommen und selbstverständlich selbst die Zeilen („inexplicably erotic“) aus dem Purgatorio von Dantes Divina Commedia übersetzt. Costanzo singt diese Meditation, die den Pilger auf seinem Weg auf den Berg und näher zu Gott zeigen, mit irisierender Schönheit und Zärtlichkeit, und er ist neben dem Bassbariton Davone Tines auch der hingebungsvolle Interpret in Gallup für Countertenor, Bassbariton und Kammerorchester nach zwei Gedichten von Jake Skeets. Auch in diesem jüngsten Stück zeigt sich Aucoin als Komponist von stupender Souveränität. Die Musik ist farbig und reich, überraschend und vibrierend und die dramatische Orchestrierung bzw. der Klavierpart dient der spannenden Interaktion von Musik und Text. Vergleichsweise schmächtig bleibt Exodus for Tony für Tenor und Kammerorchester, so sehr sich der feinsinnige Tenor Paul Appleby auch um die Verse aus Tony: Ending the life bemüht, in dem James Merrill den Schmerz über den AIDS-Tod seines Freundes zum Ausdruck bringt. Rolf Fath