Optisch überzeugender

 

Verzückte Mienen, selig entrückt und sichtbar aus dem regnerischen Berlin (gab es neben viel Sonne auch 2018) in angenehmere Gefilde versetzt, konnte man als Besucher des Waldbühnenkonzerts 2018, aber auch als Betrachter der dort entstandenen DVD (Sony Blu-ray 19075879329zuhauf im Publikum entdecken, und dieser glückliche Seelenzustand war sicherlich der den Ohren bereiteten, aber auch den Augen gebotenen Lust zu verdanken. Die Wirkung von Jonas Kaufmann zumindest auf das weibliche Publikum ist sicherlich zu einem guten Teil seiner optischen Ausstrahlung geschuldet, und auch den männlichen Besuchern wurde in der Waldbühne mit den Auftritten seiner Partnerin Anita Rachvelishvili, einer üppigen georgischen Schönheit, viel geschenkt.

Aber nicht nur deswegen ist es eigenartig, dass man nur eine CD auf den Markt gebracht hat, zudem eine, die in großen Teilen identisch ist mit  Dolce Vita, vor gar nicht langer Zeit erschienen, und auch die Opernteile sind bereits von anderen CDs bekannt. Auch der Mezzosopran hat bereits bei Sony ein Album eingespielt. Zur Verwunderung Anlass gibt ebenso das Missverhältnis zwischen Oper und Canzone, auf der CD noch krasser zu Ungunsten der Oper, da ohne die einleitende Sinfonia zur Sizilianischen Vesper, ausfallend, während die relativ wenigen Auftritte von Rachvelishvili sicherlich der Tatsache geschuldet sind, dass man vor allem wegen Kaufmanns in das Konzert gekommen war. So trat dann die Sängerin vor allem in Duetten mit ihm auf und konnte als Santuzza der Cavalleria Rusticana mit stets weich und füllig und üppig bleibender Stimme auch in den Verzweiflungsausbrüchen erfreuen. Wundervoll zart und zärtlich setzte sie ihre Überredungskünste gegenüber dem ungetreuen Geliebten ein. In den als Duetten gesungenen Canzonen hingegen blieb der Mezzo hinter seinen Möglichkeiten zurück, war vielleicht die gewählte Tessitura nicht die optimale. Am besten gelang der Sängerin das vom Klavier begleitete Caruso.

Der Tenor hingegen zeigt sich in prachtvoller Verfassung, stark im Forte und sich in der auch mal zusätzlichen Höhe von enormer Sicherheit erweisend. Im einleitenden Cielo e mar frönte er seiner, manche meinen Unart, reichlich, indem er auch willkürlich viel Agogik einsetzte. Bewundernswert war das Crescendo auf dem abschließenden „Vien“, so wie im Addio alla mamma die Fermate auf „tornassi“.

In den Canzoni ist der Sänger mit auch hörbarer Lust und Laune am Werk, hat die Leichtigkeit im Presto von Voglio vivere così, viel Geschmeidigkeit für Parlami d’amore, Mariù, und lässt es hochdramatisch werden im Torna a Surriento, zudem hat er den Mut zum extremen, wenn auch nicht optimal gestütztem Piano in Parla piano. Catari wird vom Publikum schon bei den ersten Tönen mit Beifall begrüßt, und nach Nessun dorma mit tollem Spitzenton gibt es kein Halten mehr.

Mit ähnlicher Lust, mit der Sänger und Publikum bei der Sache sind, werfen sich auch die Mitglieder des nur auf der CD-Rückseite erwähnten Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin unter Jochen Rieder ins Zeug (Sony 19075895152). Ingrid Wanja      

  1. Sven Gettkant

    Kaufmann für die Frauen, Rachvelishvili für die Männer? Ziemlich spießig und zweidimensional gedacht. Man denke nur an die vielen schwulen Opernfreunde (man kann, darf und muss sie auch nicht ignorieren), die sich sicherlich genauso an Kaufmanns Äußerem erfreuen. Und lesbische Opernfans kam diesbezüglich bestimmt auch auf ihre Kosten. Diversität tut nicht weh, sie bereitet Freude. Ob es überhaupt um diese zunehmend offen in Kritiken – nicht nur bei Waldbühnenevents – verhandelten Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeiten gehen sollte, ist eine Diskussion für sich.

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