Noch ein Tenor-Recital

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Vier Monate nach der Aufnahme mit Benjamin Bernheim verpflichtete Warner den aus dem polynesischen Inselstaat Samoa  stammenden Tenor Pene Pati für ein Recital in Bordeaux, womit sich ein neuer Name in der internationalen Tenor-Elite etablieren soll (01902963348631). Sein Stil ähnelt dem von Bernheim, ist spezialisiert vor allem auf den Belcanto und das französische Repertoire. Den Sänger begleitet das Orchestre National Bordeaux Aquitaine  unter Leitung von Emmanuel Villaume – eine gute Voraussetzung für die französischen Werke.

Mit der dreiteiligen Szene des Duca aus Verdis Rigoletto beginnt die Auswahl. Das ist kein günstiger Einstieg, denn schon dem Rezitativ „Ella mi fu rapita“ fehlt es an viriler Energie und auftrumpfender Autorität. Die Arie „Parmi veder le lagrime“ mit weinerlichem Klang zeigt dann auch, dass Pati kein Ausnahmetimbre besitzt und damit nicht die Voraussetzung für eine Welt-Stimme. Die Cabaletta „Possente amor!“, bei welcher der Choeur de l’Opéra National de Bordeaux zum Einsatz kommt (wie auch später bei Rossini und Donizetti), wirkt bemüht und leidet an einem gekrähten hohen Schlusston. Der Sänger lässt noch die populäre Arie aus dem letzten Akt, „La donna è mobile“ folgen, ohne damit den Eindruck verbessern zu können. Später gibt es noch eine weitere Verdi-Arie, die des Arrigo, „La pia materna mano“, aus dem Frühwerk La battaglia di Legnano. Sie gelingt besser, erklingt in wehmütiger Melancholie und großzügiger Phrasierung.

Von einem weiteren Großmeister der italienischen Oper, Gaetano Donizetti, finden sich Ausschnitte aus zwei Kompositionen. Nemorinos Arie „Una furtiva lagrima“ aus L’Elisir d’amore ist ein Hit, den alle berühmten Vertreter der Stimmgattung interpretiert haben. Entsprechend hoch liegt die Messlatte. Für Pati ist sie derzeit noch unerreichbar, auch wenn er sich um dolcezza und träumerischen Ausdruck bemüht. Aus Roberto Devereux gibt es eine dreiteilige Szene des Titelhelden, beginnend mit dem Rezitativ „Ed ancor la tremenda porta“, dem die Arie „Come uno spirto angelico“ folgt. Sehr atmosphärisch leitet das Orchester die Szene ein und Pati nimmt diese Stimmung im eindrücklich gestalteten Rezitativ auf, überzeugt auch in der Arie mit schmerzlicher Tongebung. Die Cabaletta „Bagnato il sen di lagrime“ gelingt gleichfalls mit exakter Ausführung der kleinen Noten und einem souveränen hohen Schlusston. Insgesamt zählt dieser Block zu den gelungenen Titeln der Auswahl.

15 der 25 Titel der Anthologie widmen sich dem Universum der französischen Oper. Da ist vor allem Rossini zu nennen mit seinen für Paris komponierten Werken, von denen der Guillaume Tell einen  Gipfel darstellt. Das große Solo des Arnold mit dem Rezitativ „Ne m’abandonne point“ und der Arie „Asile héréditaire“ wird gekrönt von der bravourösen Cabaletta „Amis, amis“, die dem Interpreten eine ganze Serie von hohen C’s abverlangt. Patis Tenor mit seinem buffonesken Beiklang lässt hier grandeur vermissen, wirkt in einigen Passagen in der exponierten Lage sogar gequält. Effektvoll allerdings ist das unwirklich lang gehaltene hohe C am Schluss. Aus Moïse et Pharaon ist sogar ein Duett zu hören, wo sich zu Patis Aménophis der Bassbariton Mirco Palazzi als Pharaon gesellt. Der Tenor trumpft mit seinen Spitzentönen auf, aber dass dieser Titel dennoch wenig Wirkung macht, liegt vor allen am dumpfen Klang des Partners.

Der zweite Gigant ist Giacomo Meyerbeer, aus dessen Grand opéra Les Huguenots eine Szene des Raoul („Ah! quel spectacle enchanteur/Plus blanche que la blanche hermine“) mit verträumtem Klang erklingt, im hoch notierten Schlussteil allerdings forciert wirkt. Die Meyerbeer-Auswahl wird ergänzt durch die Arie des Danilowitz, „Quel trouble affreux“, aus der opéra comique L’Étoile du Nord, in der dem Interpreten eine schöne Steigerung vom verhaltenen Beginn bis zum träumerischen Schluss gelingt.

Bereichert wird das Programm durch einige romantische Werke von Charles Gounod, Jules Massenet und Benjamin Godard. Für jeden lyrischen Tenor mit Affinität zum französischen Idiom ist die Arie des männlichen Titelhelden aus Roméo et Juliette, „Ah! lève-toi, soleil!“, gleichermaßen Prüfstein wie Kultstück. Sie folgt hier dem Verdi/Rigoletto-Block und lässt ein ungleich günstigeres Bild erstehen. Die Stimme fühlt sich in diesem Repertoire deutlich wohler, klingt weich und schwärmerisch. Weniger bekannt ist die zweite Oper Gounods, Polyeucte, aus der Pati die Arie des Titelhelden, „Source délicieuse“, singt. Deren introvertierten, schmerzlichen Ausdruck trifft er gut, denn die Stimme klingt hier umflort und verschattet. Eine Trumpfkarte für lyrische Tenöre ist die Traumerzählung des Des Grieux („Instant charmant/En fermant les yeux“) aus Massenets Manon. Es war Patis erste französische Partie und sie liegt ihm wie der Roméo optimal. Mit einer Rarität, der Arie des Jocelyn („Cachés dans cet asile/Oh! Ne t’éveille pas encore“) aus der gleichnamigen Oper von Godard, endet die Auswahl. Da hört man noch einmal zärtlich-weiche, in der Höhe schwebende Töne, welche Pene Patis Trümpfe sind und auf die er sich beim Aufbau seiner Karriere konzentrieren sollte. Bernd Hoppe