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In Mode zu kommen scheint es, und das wäre auch gut so, keine reinen Arien-CDs, beginnend mit Nessun dorma und endend mit E lucevan le stelle mehr aufzunehmen, sondern längere, wenn auch nicht so prominente Szenen, die dem Hörer nicht bereits bis zum Überdruss bekannt sind. So verfuhr unlängst Jonas Kaufmann mit seiner Puccini-CD, und so auch Charles Castronovo, der noch einen Schritt weitergeht, indem er sich auf seiner Verdi-CD mit weniger bekannten Opern wie Luisa Miller befasst oder sogar mit solchen, die so gut wie nie auf der Bühne zu sehen sind wie Il Cosaro. Das Booklet der von Delos herausgegebenen CD beweist, dass der amerikanische Tenor mit italienischen und südamerikanischen Wurzeln auch optisch den Vorstellungen von einem Verdi-Helden entspricht.
Castronovos Karriere begann vor fast einem Vierteljahrhundert mit Mozart- und Belcantopartien, inzwischen hat er eine Verdi angemessene Stimme, die dem französischen Don Carlos in der einleitenden Fontainebleau-Szene ebenso gerecht wird wie dem Gaston aus der französischen Fassung des Kreuzfahrer-Dramas Jérusalem, aus dem auch eine solche aus den italienischen Lombardi sulla prima crociata vertreten ist. Nichts lässt mehr daran denken, dass seine erste Verdi-Partie der Gastone in Traviata war. Es überzeugen ein dunkles, melancholisches Timbre, eine perfekte Diktion, eine elegante messa di voce und eine schlanke Stimmführung, die dem Tenor nichts an Farbe nimmt, in einem herzzerreißenden „Ah! laissez moi mourir!“ mündet. Aus den Lombardi singt Catsronovo das gern als Zugabe genutzte La mia letizia infondere , begnügt sich aber nicht nur damit, sondern führt die Szene unter Einsatz einer sehr hellen, sehr leichten Mutter Sofia über das „Come poteva un angelo“ hinaus.
Auch dem unseligen Jacopo Foscari werden Rezitativ, Arie und Cabaletta zuteil, erfreuen mit ausgeprägter Legatokultur, mit großzügiger Phrasierung und nicht nachlassender Spannung. Lediglich einen siegreichen Squillo vermisst man in dieser Szene etwas. Einen höchst angenehmen Eindruck hinterlassen bei Macduffs Klage der wunderschöne Schmerzenston und die gut gedeckten Höhen. Des Ballo-Riccardos große Arie aus dem letzten Akt überzeugt bei Castronovo durch Eleganz, kaum wahrnehmbare, nur angedeutete colpi di glottide und ein tatsächlich sehr intim sehr verinnerlicht klingendes „Nell‘ intimo del cor“.
Es folgt fast ein ganzer Akt Luisa Miller mit Rezitativ, Arie und Cabaletta des Rodolfo, bei dem sich sonst mit Quando le sere als placido begnügt wird, während auf dieser CD auch mit Contadino, Wurm und Walter nicht gespart wird. So können tatsächlich ein Charakter, eine Situation, der vielfache Stimmungswechsel perfekt nachvollzogen werden mit einem bis zum „estatico“ innigem Beginn und sogar einer Wiederholung der Cabaletta und einem Bass wohl aus dem Ensemble des Theaters von Kaunas für beide Intrigantenpartien, mit Tadas Girninkas, während das Kaunas City Symphony Orchestra unter Constantine Orbelian die zuverlässige Begleitung liefert.
Den Abschluss bildet die große Tenorszene aus IL Corsaro, tatsächlich einem Noble Renegade, welches Attribut die CD für alle Tenorrollen beansprucht, und die mit einem so kompetenten Tenor Lust darauf macht, das arg vernachlässigte Werk auch einmal in seiner Gänze zu erleben, wozu man allerdings Partner wie die auf Gesamtaufnahmen mit Renato Bruson, Katia Ricciarelli oder die mit Caballé und Norman –tempi passati (Delos 3605). Ingrid Wanja