Nach Schubert nun Schumann

 

Nach seiner Einspielung sämtlicher Schubert-Lieder bei harmonia mundi widmet sich Matthias Goerne bei derselben Firma nun dem Liedschaffen von Robert Schumann. Die erste CD (HMM 902353) enthält den Liederkreis op. 24 und die Zwölf Gedichte von Justinus Kerner op. 35. Den Zyklus op. 24 nach Gedichten von Heinrich Heine hat der Bariton bei seiner früheren Stammfirma Decca bereits 1997 aufgenommen, damals mit Vladimir Ashkenanzy als Klavierbegleiter. In dieser Neuaufnahme, entstanden im März 2018 in Berlin, ist der Norweger Leif Ove Andsnes sein Partner am Flügel. Die beiden Interpreten verbindet seit Jahren eine intensive Zusammenarbeit, entsprechend überzeugend ist das Ergebnis dieser Neueinspielung.

Im Vergleich zur früheren Aufnahme ist die Stimme des Baritons weiter gereift, hat an Fülle und Ausdrucksmöglichkeiten gewonnen. Von männlicher Energie, teils auch grimmigem Aufbegehren erfüllt sind Lieder wie „Es treibt mich hin“ und „Warte, warte, wilder Schiffermann“. Träumerisch versonnen ertönen „Ich wandelte unter den Bäumen“ und „Lieb’ Liebchen“, wo exponierte Noten mit betörender Zartheit gesungen werden. Wunderbar gestaltet Goerne die Kontraste in „Schöne Wiege“ zwischen kantablem Schwung und schmerzlichen Abschiedsgefühlen. Das kurze „Anfangs wollt’ ich fast verzagen“ ist gezeichnet von Emotionen des Verlustes und Abschieds, während das letzte Lied, „Mit Myrten und Rosen“, die aufkeimende Hoffnung spiegelt, dass diese Lieder eines Tages doch noch in die Hände der Angebeteten gelangen mögen.

Die sogenannten Kernerlieder op. 35 beginnen mit dem aufgewühlten „Lust der Sturmnacht“, das gleichermaßen äußere Naturmächte und inneren Aufruhr schildert. Das folgende „Stirb, Lieb’ und Freud’“ ist ein dazu ein deutlicher Gegensatz in seinem wiegenden, sanften Fluss, den der Sänger mit empfindsamer Lyrik formt und mirakulöse Kopftöne hören lässt. Im Adagio-Nachspiel kann der Pianist seine Sensibilität für Stimmungen wirkungsvoll  einbringen. Energisch und viril trumpft Goerne im „Wanderlied“ auf, verhalten und zurückgenommen ist „Erstes Grün“ wiederum ein starker Kontrast. Höhepunkte des Zyklus und auch der Interpretation sind sicher das innige„Stille Liebe“ und das von starkem Gefühl getragene„Stille Tränen“, in welchem Goerne wunderbare legato-Bögen und eine grandiose Steigerung gelingen. Von jenseitigen Gedanken erfüllt ist das letzte Lied, „Alte Laute“, das Goerne beinahe tonlos beginnt und die bangen Fragen des Textes beklommen äußert.

Nach diesem überaus gelungenen Auftakt des neuen Projektes von Matthias Goerne bei hm sieht man dessen Fortsetzung mit Spannung entgegen. Bernd Hoppe