Mozarts erster Figaro

 

Immer wieder erscheinen Sänger-Recitals mit Arien, welche Komponisten für berühmte Sänger ihrer Zeit geschrieben haben. Vor allem harmonia mundi hat sich darum verdient gemacht und Anthologien für die Sopranistin Francesca Cuzzoni, die Mezzosopranistin Margherita Durastanti und den Bass Domenico Montagnana veröffentlicht. Aber auch hyperíon engagierte sich schon in der Vergangenheit für diese Thematik, legte beispielsweise eine Platte mit Arien vor, die für den Kastraten Guadagni komponiert wurden, und bringt nun eine Sammlung heraus, die an den Bassbariton Francesco Benucci erinnert. Der um 1745 in Livorno geborene Sänger begann seine Karriere 1768 und trat ab 1777 in den führenden Opernzentren Italiens auf. Der Frascanio in Giuseppe Sartis I contrattempi war eine der ersten Partien, die eigens für ihn geschrieben wurden und dessen Arie „Penso, che per morire“ findet sich natürlich auch auf der neuen CD, Arias for Benucci, des englischen Baritons Matthew Rose (CDA68078). Der Sänger imponiert hier im Wechsel zwischen maskuliner Verve und gekonnten femininen Einlagen im Falsett, lässt eine klangvoll-virile Stimme hören, die über ein ausgeprägtes Fundament in der Tiefe verfügt, was ihn befähigt, auch Mozarts Figaro zu interpretieren. Denn Benucci war der erste Interpret dieser Rolle, wie auch der erste Guglielmo in Così fan tutte. So nehmen deren Arien den Hauptteil dieser CD ein – zu hören sind drei des Figaro, zwei des Guglielmo. Rose singt „Se vuol ballare“ mit verhaltenem Grimm, „Aprite un po’ quegli occhi“ mit erregtem Zorn  –  bleibt aber stets im stilistischen Rahmen eine Bassbaritonbuffos. Für „Non più andrai“ nutzt der Interpret das alternative Rezitativ „Ehi, sor paggio!“, trumpft in der Arie gehörig auf und lässt es auch nicht an spöttischem Unterton fehlen. Als Guglielmo verzichtet er nicht auf die Alternativversion von „Non siate ritrosi“ und trägt stattdessen das weit attraktivere „Rivolgete a lui lo sguardo“ vor. Hier überzeugt er mit flexibler Tongebung und humoristischem Ausdruck. Danach gibt es noch die Arie aus dem 2. Akt, „Donne mie“ und das Duett Guglielmo/Dorabella, „Il core vi dono“, in welchem Katherine Watson ihm mit sinnlicher Stimme assistiert.

Auch Ausschnitte aus Mozarts Don Giovanni finden sich im Programm – Leporellos Registerarie in einer sehr pointierten Wiedergabe und das in Aufführungen fast immer gestrichene Duett Leporello/Zerlina, „Per queste tue manine“ aus der Wiener Version von 1788, in welchem Anna Devin entzückend zwitschert.

Das Programm beginnt der Solist effektvoll mit einer Arie des Titelhelden, „Spirti invisibili“, aus Salieris La grotta di Trofonio, die Benucci 1785 in Wien kreierte – eine ombra-Szene, in welcher finstere Geister und Dämonen angerufen werden. Der Bassbariton findet hier zu fahl-düsteren Stimmungen, die sich zu beschwörenden Ausbrüchen steigern. Von diesem Komponisten folgt später noch ein Ausschnitt aus Axur, re d’Ormus, in der Benucci 1788 die Titelrolle sang und sich damit eher auf ernstem Terrain bewegte. „Idol vano“ hat dramatisch erregten Puls, den der Sänger imponierend vermittelt.

Schließlich erklingen aus Martín y Solers 1786 uraufgeführter und damals ungemein populärer Oper Una cosa rara zwei Arien des Tita – „Ah mal aya“ aus dem 2. und „In quegli anni“ aus dem 1. Akt – im buffonesken Stil, wo Rose seinen  eloquenten Vortragsstil hören lässt.

Begleitet wird der Sänger vom Ensemble Arcangelo unter seinem Dirigenten Jonathan Cohen, welches das Programm auch mit einigen Ouvertüren bereichert, darunter die zu Paisiellos Il re Teodoro in Venezia, die 1784 in Wien zur ersten Aufführung gelangte. Sie erklingt Affekt betont und mit dramatischem Impuls.  Später gibt es noch die zum Figaro und Don Giovanni, in welchen sich das Orchester musikantisch und mit beeindruckender Stimmungsmalerei bewährt. Bernd Hoppe