Mostly modern

 

Samuel Barbers Knoxville: Summer of 1915 liegt in Aufnahmen mit prominenten amerikanischen Diven vor – so Elenor Steber, die die Komposition 1948 unter Serge Koussevitzky aus der Taufe hob, Eileen Farrell und Leontyne Price. Zu ihnen gesellt sich nun Renée Fleming, die sie an den Anfang ihrer neuen CD mit dem Titel „Distant Light“ stellt (Decca 4830415). Die Sopranistin hatte schon in der Frühzeit ihrer Karriere eine starke Affinität zu zeitgenössischer Musik, sang an der Met in Coriglianos  The Ghosts of Versailles, hob in San Francisco André Previns A Streetcar Named Desire aus der Taufe, spielte mehrere CDs mit Songs von Jake Heggie, Brad Mehldau, David Kahne u. a. ein. Barbers Komposition mit ihrer lyrischen Poesie auf einen Text von James Agee liegt ihr perfekt in der Stimme, die sich schwelgerisch und aufblühend erhebt, in der Höhe glänzt und in raffinierten Valeurs schimmert. Das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra begleitet unter Sakaro Oramo sehr atmosphärisch.

Es folgt ein Werk des 1954 geborenen schwedischen Komponisten Anders Hillborg mit dem Titel The Strand Settings. Die Idee dafür geht zurück bis ins Jahr 2008, als die Sopranistin mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra konzertierte. In den Gedichten des Amerikaners Mark Strand fand man passende Vorlagen für diesen vierteiligen Zyklus, der 2014 in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführt wurde. Es sind Episoden, die emotionale Zustände beschreiben – Freude, Sehnsucht, Nostalgie… Das Orchester setzt das sphärische Flirren der Einleitung zum ersten Titel, „Black Sea“ malerisch um, danach setzt die Stimme der Solistin in stockendem Duktus, fast verhalten ängstlich ein, schwingt sich aber in den folgenden drei „Dark Harbour“-Szenen zu betörendem Höhenglanz auf, immer wieder unterbrochen von nervösen, eruptiven Einschüben, in denen der Sopranistin auch in der tiefen Lage starke Momente gelingen.

Sehr eigenwillig ist die Tonsprache der 1965 geborenen isländischen Sängerin und Komponistin Björk Gudmundsdóttir, deren drei Gesänge „Virus“,Jóga“ und „All Is Full of Love“ das Programm der CD beschließen. Fleming wählte sie aus einer Vielzahl von Songs der Komponistin aus und entschied sich für solche, welche sie thematisch und musikalisch am meisten ansprachen. Das Klangspektrum reicht von Pop- und Jazz-Einflüssen bis zum Film-Sound. Renée Fleming und das Royal Philharmonic Orchestra werden diesen höchst unterschiedlichen Vorgaben und Ansprüchen beeindruckend gerecht. Im vorletzten Stück findet sich der Begriff „Emotional Landscapes“, der die Musik dieser CD treffend umschreibt, und der Titel des letzten , „All Is Full of Love“, dürfte als Botschaft der Interpreten verstanden werden. Bernd Hoppe