Materialschlachten

 

Vor knapp zehn Jahren hat der serbische Tenor Zoran Todorovich eine Recital-CD mit Arien von Verdi, Puccini und Wagner eingespielt und nimmt im Booklet bereits eventuelle Kritik an seiner Interpretation vorweg, so die, er singe alle Komponisten mit der gleichen Stimme, ohne stilistische Unterschiede hörbar zu machen. Dazu bekennt er sich trotzig, so wie er auch mit schönem Selbstbewusstsein von seinen Erfolgen auf den großen Bühnen der Welt berichtet. Heute sind das weniger Scala, Paris, Barcelona, sondern eher Leipzig, Hannover, die Opernhäuser des ehemaligen Ostblocks und die Open-Air-Festivals, bei denen man eine robuste, tragfähige Stimme wie die seine zu schätzen weiß. Schon vor zehn Jahren bevorzugte der Tenor zu recht die dramatischeren unter den italienischen Partien, denn sein größtes Kapital ist das gesunde, machtvolle Material mit farbigem, baritonalem Fundament und sicherer Höhe , das auch damals bereits den Otello nicht zu scheuen brauchte. Natürlich bietet sich als Einstieg in die CD die Auftrittsarie des Radames an, deren Rezitativ eine recht hart, ja stählern klingende Stimme gut verträgt. In der Arie werden die Intervallsprünge gemeistert, doch vermisst man lyrische Qualitäten und ist geradezu verstört über den Schluss à la squarciagola, wo Verdi ein morendo vorschrieb. Hier regt sich bei Hörer der Verdacht, dass es dem Sänger nicht auf eine Interpretation, sondern auf ein Zurschaustellen von Stimmpotenz ankommt. Auch die armen „figli“ in der Arie des Macduff werden durch eine unangemessene Lautstärke aus dem ewigen Schlaf erweckt, das imposante Material wird recht eintönig eingesetzt, es scheint mehr um eine eindrucksvolle Fermate als um den Schmerz eines Vaters zu gehen. Oronte aus den Lombardi sollte mit seiner Arie einer Stimme mit eher lyrischen Qualitäten vorbehalten sein, hier fällt besonders auf, wie sehr das  Zagreb Philarmonic Orchestra im Hintergrund bleibt, obwohl es im Vorspiel zu der folgenden Arie aus Forza del Destino zeigt, dass es unter Ivan Respušić sehr einfühlsam zu spielen versteht. Sehr schön klingt „Sevilla“, bereits weniger „Leonora“, denn zu schnell geht es von den „angeli“ wieder in ein schneidendes Forte. Der Verdi-Teil endet mit zwei Auszügen aus Otello, dem Liebesduett, in dem eine empfindsame Valentina Fijacko die Desdemona singt, während der Tenor sich eher rabiat als sensibel gibt, aber dann umso mehr  in “Dio! Mi potevi“ in seinem Element ist.

Auch von den Puccini-Helden hat Todorovich die heldenhafteren gewählt, so zweimal Des Grieux und Dick Johnson. „Donna non vidi mai“ läuft abgesehen vom „sussura“ volle vokale Kraft voraus, was zum zweiten Akt eher passt, „Ch’ella mi creda“ ist von Anfang bis Schluss gelungen, von schöner, einheitlicher Farbe und angemessenem Ausdruck. Fast schon Tote, ganz sicherlich aber schlafende Ehemänner weckt Luigis Arie, während das „Fiorito asil“ Pinkertons ohne akustischen Duft bleibt.

Den Abschluss bildet der Abschied Lohengrins in guter Diktion, sensibler „Taube“, aber nach dieser wieder den Beginn einer Materialschlacht, die auch vor „und bei dem Ringe soll er mein gedenken“ nicht durchgehend Halt machen mag. Insgesamt kann man zwar die Stimme in ihrer Pracht bewundern, nicht aber die Art und Weise, in der sie eingesetzt wird (Oehms OC 793). Ingrid Wanja