Majestätisch

Die wohl bekannteste, aufregendste, einfach unverwechselbare, unbestritten einzigartige Sängerin aus Polen ist Ewa Podleś, einer der wenigen echten Contraalte und eine uneitle, ganz ihrer Kunst ergebene Sängerin dazu. Im Juni 2014 gab sie in Posen einen Arienabend, den es zum Glück nun auf CD gibt. La Podleś wurde zunächst als Rossini-Sängerin bekannt und hoch geschätzt, inzwischen hat sich ihr Repertoire längst erweitert, bleibt aber hörbar immer im Rahmen des der Stimme Möglichen.  Auch auf der rund eine Stunde dauernden CD ist der Komponist aus Pesaro, wo sie viel sang, vertreten, mit der hoch virtuosen Arie des Ciro „Ciro infelice“ aus Ciro in Babilonia und mit Isabellas „Cruda sorte“ aus L’Italiana in Algeri, wahrscheinlich als Zugabe zu dem sowieso schon reichhaltigen Programm. Wer allerdings als Ouvertüre zu Aureliano in Palmira ihm nicht vertraute Musik zu hören gedenkt, wird sich sofort an Il Barbiere di Siviglia erinnert fühlen. Ewa Podles singt die beiden Rossini-Arien mit der von ihr gewohnten Farbenpracht des Timbres, mit schön ausgeformten Phrasen, dem Rezitativ die Bedeutung zugestehend, die es erwarten kann, mit mühelosen Intervallsprüngen und mit extrem tiefen Tönen, die der reine Irrsinn zu sein scheinen. Sogar die Höhen behalten die Mezzofarbe der Stimme bei. Auch bei ihrer Isabella kann man den schön gerundeten Ton bewundern, Geläufigkeit und Präzision und die immer weich bleibende Stimme.

Lukasz Borowicz/Koncert Polskiej Orkiestry Radiowej (próba) lutoslawski.org.pl

Lukasz Borowicz/Koncert Polskiej Orkiestry Radiowej (próba)/ lutoslawski.org.pl

Das Programm beginnt mit der Ouvertüre zu Glucks Iphigénie en Aulide im Arrangement von Richard Wagner, und bereits hier beweist das Philharmonische Orchester Posen unter Łukasz Borowicz, dass es nicht nur stilsicher die Solistin zu begleiten weiß. Unter seiner Hand schwingt sich das Posener Orchester zu großer Form empor, zeigt Brio ebenso wie eine bewundernswert aufgefächerte Dynamik, lässt den Witz in der Musik ebenso aufblitzen wie es die tragisch-grandiosen Formen des pathosreichen Ausdrucks befördert – mit Borowicz hat man einen der ganz wichtigen Hoffnungsträger in der internationalen Dirigentenlandschaft vor sich (demnächst wird Glucks Iphigénie en Tauride von ihm auf CD erscheinen). Man wünscht vor allem seinen in Polen doch reichlich anzutreffenden Aufnahmen (so auch die vom Beethoven-Fest in Warschau) eine gute Verbreitung auch im westlichen Ausland.

Natürlich darf in diesem Recital die Klage des Orpheus nicht fehlen, in der das sonore, edle Timbre besonders zur Geltung kommt, das tiefe Register nicht zu brustig klingt. Brio und Eleganz, allerdings keine Jungenhaftigkeit lässt die Sängerin dem Orsini aus Donizettis Lucrezia Borgia zuteil werden mit einer bewundernswerten Variation im zweiten Teil. Düster dräuend klingt in schöner Schwermut und farbig auch in der mezza voce die Arie aus Prokofievs Kantate Alexander Newski. Die ideale Besetzung ist La Podleś für Ponchiellis Cieca, der sie ungewohnte Vollmundigkeit, Gefühl und Fülle wie selten eine Sängerin gibt. Einen virtuosen Schluss verleiht die Stimme Azcenas „Stride la vampa“, bei strenger Beachtung der Agogik. Humorvoll charakterisierend gelingt die Arie aus Massenets Cendrillon, ehe Isabella zu Wort kommt. Das Zwischenspiel aus Cavalleria Rusticana ließ zuvor die Sängerin Atem schöpfen, eher mit Dezenz als mit üppigem Gefühl dargebracht (DUX 1134).

Ingrid Wanja

http://www.podles.pl// http://www.lukaszborowicz.com/