Lieder aus dem Norden

 

Zunächst an der Nase herumgeführt fühlt man sich, wenn man die CD von Siri Karoline Thornhill auflegt und dann Unverständliches zu hören bekommt, denn auf der Rückseite der Plattenhülle sind sämtliche Titel der Songs von Edvard Grieg in deutscher Sprache aufgeführt, gesungen wird aber zu drei Vierteln in Norwegisch, und auch Solveigs Wiegenlied aus Ibsens Peer Gynt ist nicht das allgemein bekannte und geliebte Lied, sondern ein weit weniger verbreitetes.

Schnell aber ist man beim Hören versöhnt, weil man merkt, dass Sprachlaut und Musik einfach untrennbar zusammen gehören und die im Booklet verfügbare deutsche Übersetzung teilweise eine eher peinliche ist, so auch nachvollziehbar wird, dass Griegs Lieder sich in Norwegen einer großen Beliebtheit erfreuen.

Von den über 180 Kompositionen, von denen auf der CD 24 versammelt sind und die zu einem großen Teil für Griegs große Liebe Nina Hagerup komponiert wurden,  gehört der erste Block Liedern aus der Sammlung von Arne Garborg mit dem Titel „Haugtussa“ („Ein Mädchen der Berggeister“), und sowohl in der Behandlung der Stimme wie der des begleitenden Klaviers wird die Originalität von Griegs Liedschaffen bereits im ersten Titel „Lockung“ (besser wäre „Verlockung“) erkennbar, in dem gleisnerisch-geheimnisvollen Ton des Klaviers und in dem sinnlich-warmen Klang der Stimme von Siri Karoline Thornhill, die man hier auch für einen Mezzosopran halten könnte, die sich aber im Verlauf des Hörens als Sopran mit sehr markanter, farbiger tiefer Lage herausstellt.  Bereits im zweiten Stück, „Veslemöy“, wird ein mädchenhafterer, zarter Glockenklang hörbar , im dann folgenden „In den Heidelbeeren“ auch ein zupackender Übermut. Der leidenschaftliche Text von „Liebe“ wurde von Grieg eher neckisch-leicht vertont, und die Sängerin folgt dem Komponisten mit leichtem Tonansatz. Viel Geschmeidigkeit bringt die Stimme für das Tänzerische von „Zickeltanz“ auf. Mit der Fließbewegung des Klaviers im der Schönen Müllerin ähnlichem „Am Bergbach“ weiß auch die Sängerinnenstimme zu korrespondieren.

Es folgen fünf Lieder auf Gedichte von John Paulsen, in dessen „Hoffnung“ der Sopran strahlen kann und für dessen „Herbststimmung“ sie einen schönen Klagelaut hat. Vilhelm Krag lieferte die Texte zu einem „Die Mutter singt“ aus einer Zeit, in der der Kindestod alltäglich war und so der Sängerin nur einen resignierenden Schmerzenston, kein Aufbegehren  abverlangt, silberhell kann sich der Sopran in „Im Kahne“ entfalten, und die schöne Atemlosigkeit von „Johannisnacht“ ist ideal von ihr getroffen.

Den Abschluss bilden sechs Lieder in deutscher Sprache, die der Komponist, der in Leipzig studiert hatte, vollkommen beherrschte. In Heines „Gruß“ blüht der Sopran wunderbar auf „grüßen“ auf, Emanuel von Geibel gehört zu den deutschen Autoren, deren Werk nur durch die Vertonung überlebte; sein „Dereinst, Gedanke mein“ wird in seinem gemessenen Ton sehr verständnisvoll interpretiert, Uhlands „Lauf der Welt“ bietet ein schönes Aufblühen des Soprans, Walthers  von der Vogelweide „Unter der linden, uf der Heiden“ , allerdings in Neuhochdeutsch, ein verspieltes „Tanderadei“. Ein strahlender Endpunkt ist „Ein Traum“ auf einen Text von Martin von Bodenstedt. Die durchweg hochinteressante Begleitung auf dem Klavier steuert souverän Reinild Mees bei. (Ars 38 545). Ingrid Wanja