„Let´s misbehave“

 

Viele große Opernsänger packt im Laufe ihrer Karriere die Lust, Seitenpfade zu betreten und mal was anderes zu singen. Zum Beispiel Jazz oder Musical. Nicht immer sind diese Ausflüge von Erfolg gekrönt. Jetzt hat sich Mezzosopranistin Magdalena Kožená an ein Cole Porter-Album gewagt. Ein Heimspiel. Dieses Album ist in Tschechien entstanden, wo Magdalena Kožená viel von ihrer Strenge abschütteln kann – sie ist hörbar zu Hause. „Let´s Misbehave“ – wenn sie diesen Porter-Song singt, spürt man die Selbstironie – sie probiert es halt mal aus mit dem Danebenbenehmen, ausgerechnet sie, die Meisterin der Selbstdisziplin. Es will nicht immer gelingen – aber manchmal schon. Und dann sind alle glücklich: Die Sängerin, das Ensemble und der Hörer, der hier mit dem abgefahrensten Kožená-Album ihrer bisherigen Karriere gewiss keinen Fehlkauf begangen hat.

Amerika mit einem Touch Brno. Sehr charmant. Überhaupt war es eine kluge Entscheidung, die ausgezeichneten Melody Makers für die Zusammenarbeit zu wählen und kein großes klassisches Orchester. Die sind so genial, dass sie manchmal die Kožená in den Hintergrund spielen – diese Big-Band ist schon mal die halbe Miete. Jetzt kann nicht mehr viel schiefgehen. Außerdem hat man historische Jazz-Instrumente gewählt und sehr schöne Arrangements aus Porters Zeit, oder doch zumindest welche im Stil der 30er- und 40er-Jahre. Die Songs werden mehr in die Richtung ihrer Originalpräsenz in den Musicals gerückt – spätere allzu verjazzte Varianten bleiben die Ausnahme. Vermutlich zur Enttäuschung manch eines Jazz-Fans, der dieses Album wohl mit spitzen Fingen anfassen wird wegen des klassischen Beigeschmacks. Doch man darf nicht vergessen, dass unser Bild von Cole Porters Musik heute verzerrt wird durch die späten Adaptionen solcher Ikonen wie Frank Sinatra oder Ella Fitzgerald – die Originalkompositionen waren oft für Sänger und Sängerinnen mit gut ausgebildeter Operettenstimme: Irene Bordoni oder Gertrude Lawrence, um nur zwei zu nennen. Magdalena Kožená klinkt sich in diesen Stil ein, erinnert in den besten Momenten beglückend an die Lawrence und schlägt sogar einige Original-Porter-Sängerinnen wie Lisa Kirk (die erste Bianca in „Kiss me Kate“) um Längen.

Sicher – nicht jede Nummer gelingt ihr gleich gut, und manches Arragement ist Geschmackssache. Beispielsweise hätte mir bei „I’ve got you under my Skin“, da der Song ja ursprünglich für eine hohe Frauenstimme komponiert war (Virginia Bruce 1936), die leise lyrische Originalversion besser gefallen als die Annäherung an die überschätze lärmende Fassung von Sinatra. Man spürt – das ist ein liebevolles Experiment. Was gäbe ich darum, wenn Frau Kožená ins Labor zurückkehrte, um aus einem großartigen Versuch mit kleinen Anfangerschwächen ein ausgereiftes Produkt zu machen. Dann vielleicht mit Irving Berlin oder George Geshwin… (Magdalena Kožená, Ondrej Havelka & His Melody Makers, Brnofon BRF001-2). Matthias Käther

  1. Kevin Clarke

    Danke für diesen Artikel. Er hat mich sofort neuigerig gemacht auf die CD; aber leider finde ich die Stimme vollkommen ungeeignet für diese Songs, weil sie (a) überhaupt keine Flexibilität aufweist, also viel zu ‚formell‘ klingt für Musical Comedy, und weil (b) Vieles schlichtweg ’säuerlich‘ rüberkommt. Da haben unendlich viele andere Sängerinnen ’schönere‘ (= wärmere, erotischere, verführerischere) Töne mit diesem Material produziert. Hier ist nichts entspannt, alles wirkt mühsam einstudiert. Aber es stimmt: die Orchesterarrangements sind geil. Mit sehr ähnlichen Arrangements hat Kiri te Kanawa ein deutlich überzeugenderes EMI-Album rausgebracht. Über Kiri und Musical kann man streiten, aber wenigstens hat sie ein selbstverständnliches Verhältnis zum englischen Sprache, was bei Porter doch sehr hilft.

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