Klangvoll, aber Konsonanten-arm

 

Unter dem Titel Lieder bringt Decca eine neue CD mit Renée Fleming heraus, welche Dokumente von 2010 und 2017 kombiniert, dabei auf Studio- und Live-Aufnahmen zurückgreift (4832335). Den ersten Teil der CD nehmen Lieder von Johannes Brahms und Robert Schumann ein, die im Januar 2017 in Budapest eingespielt wurden und von Hartmut Höll an einem Steingraeber-Flügel begleitet werden.

Unter den acht Liedern von Brahms finden sich so bekannte wie „Wiegenlied“. „Ständchen“ und „Die Mainacht“, aber auch Seltenes wie „Lerchengesang“ oder „Des Liebsten Schwur“. Das spricht für die Sängerin, sich bei der Auswahl des Programms nicht nur auf Gängiges zu stützen, sondern auch Pfade abseits des sattsam Populären zu beschreiten.

Im „Wiegenlied“, dem Auftakt des Programms, produziert die Solistin vor allem noble Töne, ist aber weniger auf Textausdeutung bedacht – ein Fakt, der ein generelles Problem in ihrer Interpretation darstellt. Zuweilen ist die Diktion so verwaschen, dass man die Worte kaum verstehen kann („Lerchengesang“). Gelegentlich machen sich auch ein Zug zum Manierismus und ein Hang zur Larmoyanz bemerkbar. Gut eingefangen wird die melancholische Trauer der „Mainacht“, der Sopran mit seinem schimmernden Leuchten findet hier zu bester Wirkung. Dagegen kommt das „Vergebliche Ständchen“ in seiner Munterkeit und Lautmalerei etwas aufgesetzt daher.

Danach folgt Schumanns Zyklus „Frauenliebe und -leben“, bei dem sich die Sopranistin gegen eine schier unübersehbare Zahl von Interpretationen behaupten muss. Der frauliche Charakter von Renée Flemings Sopran ist diesen Liedern sehr angemessen. Man vernimmt innige Töne, emphatische Aufschwünge und Momente von tiefstem  Schmerz. Höll begleitet die Sängerin bei diesem Zyklus besonders akzentuiert, setzt vor allem in den letzten Liedern der Sammlung ganz eigene Akzente. Die harschen Akkorde bei „Nun hast du mir den ersten Schmerz getan“ wirken geradezu verstörend.

Den stärksten Eindruck hinterlässt ein Live-Dokument vom Oktober 2010 aus der Münchner Philharmonie am Gasteig. Unter Christian Thielemann singt Fleming, begleitet von den Münchner Philharmonikern, Mahlers „Rückert-Lieder“. Die Stimme klingt hier betörend, flirrt und gleißt in der Höhe, schmeichelt mit ihrer cremigen Textur. In der nicht festgelegten Reihenfolge der fünf Lieder setzt  Fleming „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ an den Schluss und  findet dafür einen berührend entrückten Ton, In Thielemann und den Münchner Philharmonikern hat sie kongeniale Begleiter. Bernd Hoppe